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I>er Spree« nlil und »eine Bewohner.
sich also als Urbevölkerung ansall. Ibis felgt mit innerer Nothwendig- keit aus jenem geschichtlichen Zeugnis. Ungezählte Jahrhunderte müssen die Senmonen, überhaupt die Schwaben in Norddeutschland angesessen gewesen sein. Denn früher, ehe es Hiicher und Zeitungen gab, war das Gedächtnis der Völker sehr lang. Heute ist es kurz geworden, gerade wie der (ieruchsinn und die Sehkraft der Menschen allgenommen haben. Hiicher und Zeitungen überheben den Geist seiner Last, die machen es ihm bequemer. Ohne Zweifel hat unsere Bevölkerung in der Natur, und dazu rechne ich einen grossen Teil der Landleute, geistige Einbussc erlitten in unserer Zeit. Sie hat überliefertes Wissen, und wenn man das Gebiet des Volksglaubens ausscheidet, selbständiges Denken verloren. Die ganz allgemeine Bildung hat ihr Steine statt Brot gebracht, ohne dass sie einen wissenschaftlichen Ersatz gewann, so nutzbringend die für die Städter sich gestaltet hat. Man muss sich abgewölmen die Dinge einseitig von einem Standpunkte aus zu betrachten. Früher hatte die Überlieferung, die Sage einen höheren geschichtlichen Werth. Noch in diesem Jahrhundert wissen die alten Sagen und Heldenlieder der Tsclier- kessen des Kaukasus von den Goten und ihrer Herrschaft in Kussland. Glücklicherweise giebt es noch eine gotische Übersetzung der Bibel, sonst würde man wohl bestreiten, dass die Goten vormals Deutsche, Germanen, waren. Drei Geschlechter füllen ein Jahrhundert. Dreimal nur brauchte in hundert Jahren dieselbe Sache uacherzählt zu werden; lünfzehnmal nur in fünfhundert Jahren. Und wie treu ist noch heute die Sage, oft ein völliges lliitsel für den Forscher und die Wissenschaft. Wie viel treuer aber damals!
Es fragt sich: wie ist die Überlieferung jenes schwäbischen Volkes von der Herkunft aus «lern Walde selbst zu deuten? Jedenfalls hatten sie eine Stammsage, dass die Begründer ihres Volkes, die ersten Menschen also, von Bäumen selbst herstammten, und zwar von den Bäumen des heiligen Urwaldes. Noch ist uns die nordisch-germanische Schöpfungssage erhalten, dass die ersten Menschen von den Bäumen kamen und Askr und Euihla hiessen. Ask heisst Esche und Embla „Erle‘‘. Ein letzter Ausläufer dieser teutonischen Schöpfungssage tritt uns wohl auch entgegen in dem bekannten Volksreim: „In Sachsen, wo die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen“. Kiiekverwandlung von Menschen in Bäume kommt ebenso vor im geistigen Besitzstand der Menschheit. Weist doch noch in unserer Sprache das Wort Volksstamm mit seiner Abstammung auf den Baumstamm hin und legen doch alte Geschlechter noch heute Wert auf ihren Stammbaum. Noch nach dem Volksglauben in unserer Zeit gehen Menschen in Bäume über, bluten, wie auch grade im Spreewald, die Stöcke sündhaft gefällter Bäume. Uralte Bäume sind nachweislich in Deutschland verehrt worden, Opfer bei ihnen gebracht, Kecht bei ihnen gesprochen, auch heilige christliche Kapellen nach solch * 111