Heft 
(1893) 2
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Der Rpreewald und .«eine Bewohner.

gangspunkte herstammeiid, mehren Sprachkreisen gemeinsam sind. Dazu gehört das Lied vom ertrunknen Geliebten, «las denselben Stoff behandelt wie Schillers llero und Leander. Es findet sieh bereits in der vortreff­lichen Yolksliedersanunlung von Haupt und Schmaler, aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, und zwar aus Burg im Oberspreewald, von wo es wohl der durch feinen volktümlichen Sinn ausgezeichnete Schmaler erhalten hat. ich fand es, da ich auch serbische Volkslieder gesammelt habe, ohne damals jenes eben erwähnt« 1 Werk zu kennen, mit einigen .unwesentlich« 1 !! Abweichungen vor zu Burg noch Ende «ler siebziger Jahre. Schiller wurde angeregt zu seinem weltberühmten Gedichte llero und Leander durch eine entlegene altgriechische Sage. Es finilet sich aber «ler Stoff von «len zwei Geliebten, die «IuitIi «»in Wasser getrennt sind, mannigfach, sowohl in Sagen wie in Volkslie«lern behandelt, wohl bei allen germanischen Völkern aber auch bei anderen vor 1 ), un«l wird auch auf indische Herkunft zurückgeführt, wenngleich «lein Anschein nach bisher nicht ganz verbürgt. Es sollen nämlich «lie Bewohner «les Pond- scliabnach dem Zeugniss des Ahsos viele Lieder über «lie unglückliche Li«be des Hir un«l Handscha reeitiren und ihnen zu Ehren Klagelieder singen.*)

I>ie Spreewähler sind eine fleissige, str«»bsaine Bevölkerung von gefälliger äusserer Erscheinung, die Männer vorteilhaft bekannt, als tüchtige Heerleute und tapfere Krieger. Hie Spr«*ewälder sin«l aber nicht bloss leiblich, sondern auch g«*istig gesuml. Zu allen Zeiten hat cs im Spree wähl geistig eigenartige, ursprüngliche un«l auch selbständig denkend« 1 Menschen gegeben. Ich war ni«ht wenig erstaunt, als mir einst, vor nunmehr fast zwanzig Jahren, ein spreewälder Wende, der Kolonist X ... . sch, ganz gelegentlich mit v«dlem Verständnis einen langen Absatz aus Kants Kritik «l«*r reinen Vernunft hersagte, den er aus- wernlig wusste. Ich bekenne, «lass mir noch heute Kants Kritik der reinen Vernunft unbekannt ist. Das betrifft zwar nur einen ganz ver­einzelten Fall, immerhin sind Menschen von sehr selbständiger Auf­fassung, wie man solch« 1 au«h sonst unter Bauern findet, im Spreewald nicht selten. Hieser gt'sunde Sinn erl«i<'htert ihnen dann das Fort­kommen überall.

Man schildert, in voller rnkenntnis «ler Verhältnisse, die Spree­wähler vielfach als sehr ernste, schwermütige, zu trübseliger Bekümmernis neigende Menschen. Grade das Gegenteil ist «1er Fall. Man kann nirgendswo fröhlichere geselligere Menschen fimlen als hier. Sie alle haben «len sehr vernünftigen Grundsatz: leben un«l leben lassen. Pab pl

*) Rohm, altdeutschen Liederbuch. Leipzig 1877. Reiffer,scheidt, Westfälische Volkslieder. Heilbronn. 1870. E. Rolland, recueil de chanson* populaires, Paris. l#b - III, «8-72. IV, 1-20.

*) Vergl. lieifferscheidt.