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Die iUte.sten Spinn- und Webegorilte.
bevormunden. liier nahen wir dem Objekt auf einem anderen Wege, den uns nicht die Kunst, sondern die Natur vorgezeichnet. Die Beschäftigung mit «lern prähistorischen Menschen gleicht der Jagd auf ein scheues Wild, das sich vor uns verbirgt und zurückzieht.“
Das Wehen ist überall zuerst ein Flechten gewesen, d. h. es sind auf einer Reihe Längs-Streifen oder -Fäden in allereinfachster Weise Quer-Streifen oder -Fäden so geordnet, dass sich ein schachbrettartiges Muster ergehen musste.
Verwendbare Streifen konnte man aus dem Bast der Bäume, von Tierhäuten u. s. w. gewinnen; sobald aber Fäden in Frage kommen, muss die Kenntniss des Spinnens vorausgesetzt werden.
Das Spinnen ist natürlich anfangs auch ein höchst einfacher Vorgang gewesen. Es bleibt unserer Phantasie überlassen, sich z. B. das Zupfen und Drehen der Wolle — bevor man zu einem Gerät seine Zuflucht nahm — vorzustellen. Damals muss jeder Faden von Wert gewesen sein.
In seinem (wiederum in neuer Auflage vorliegenden) Buche „Kulturpflanzen und Haustiere“ spricht Victor Hehn*) die Ansicht aus, dass die Wolle den Schafen nusgerupft ward, um Filzdecken und Filztücher zusammenzustampfen, — besonders zum Schutze des Hauptes. Ilesiod sagt:
„über das Haupt dir
„Setze geformeten Filz, vor Nässe die Ohren zu schützen.“.
„Das Schaf ist ein altes Kulturtier; aber die Kunst, es zu scheeren, war den früheren Menschengeschlechtern unbekannt; die Wolle wurde mit den Händen abgerissen. Noch im 19. Jahrh. fand C. J. Graba auf den entlegenen Färöern diese Sitte in Kraft; er meinte aber: dies sehe grausamer aus, als es in Wirklichkeit wäre, denn „nur diejenige Wolle, welche fast von selbst ausfällt, wird abgerissen.“ In Italien war selbst zu Varro’s und IMinius’ Zeit das Ausrupfen noch nicht ganz abgekommen. Nach Varro Hessen diejenigen, welche die ältere Methode beibehalten hatten, die Tiere drei Tage lang hungern, damit die Wolle sich leichter ablöse. Varro weiss sogar nach einem öffentlichen Dokument den Zeitpunkt anzugeben, da aus Sicilien die ersten Schafscheerer (natürlich mit den nötigen künstlichen Scheeren) nach Italien kamen. — In der Odyssee (18, 314) ruft Odysseus den Mägden zu: „Gehet in's Haus zu Eurer
Herrin und unterhaltet sie! Dreht, bei ihr sitzend, die Spindel oder zupfet die Wolle mit den Händen!“ — Wie frühe im Orient die Sitte, das Schaf zu scheeren, sich einfaud, wissen wir nicht genau; auf jeden Fall geschah dies früher, als in Griechenland.“
Neben die Benutzung der Wolle tritt schon in sehr früher Zeit dir Verwertung des Flachses. Die Frage mu h der Herkunft dieses ausserordentlich nützlichen Kulturgewächses ist wol noch immer nicht abgr-
*) 5. Autl. 8. 15, 4:14 u. 4:15