Heft 
(1896) 5
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17. (6. öffentl.) Versammlung des IV. Vereinsjahres.

derartige Stammbücher, welche in ganz ähnlichem Geschmack innerlich wie äusserlich ausgestattet sind. Die selbstverständlichen Abweichungen be­ruhen lediglich in der Verschiedenheit des Standes, der Bildung und des Vermögens der Stammbuchinhaber. Diese Stammbücher sind für die Sitten- und Kultur-Geschichte der Zeit von hervorragendem Werte.

Der schwärmerische, sentimentale Ton, wie wir ihn aus Schillers Lied an die Freude vom Jahr 1785 kennen:

Freude, schöner Götterfunken,

Tochter aus Elysium,

Wir betreten freudetrunken Himmlische, Dein Heiligthum.

Seid umschlungen, Millionen!

Diesen Kuss der ganzen Welt!

überaus schwärmerische Freundschaftsversicherungen, Anpreisung der Natürlichkeit, gekünstelte Schwermut, Sehnsucht nach dem Tode bei ganz jungen Leutchen, Gefühlsschwelgerei, das sind die Leitmotive der damaligen Stammbücher. Der Superlativ ist die gewöhnliche Ausdrucks­weise, wie bei Schiller in den Briefen von Julius an Raphael:

Glücklich! glücklich! Dich hab ich gefunden,

Hab aus Millionen Dich umwunden,

Und aus Millionen mein bist Du

Lass das Chaos diese Welt umrütteln,

Durcheinander die Atomen schütteln;

Ewig fliehn sich unsere Herzen zu.

Raphael, in Deinen Seelenblicken

Stünd im All der Schöpfung ich alleine,

Seelen träumt ich in die Felsensteine,

Und umarmend küsst ich sie

Meine Klagen stönt ich sie in die Lüfte,

Freute mich, antworteten die Klüfte,

Thor genug, der süssen Sympathie.

Man kann sich leicht vorstellen, wenn sich Jünglinge untereinander derartig anschwärmten, in welchem Hochpathos und Dithyrambus der verliebte Jüngling sich im Stammbuch seiner Herzenskönigin ergeht und ergiesst.

Ganz herkömmlich war es damals dem eigentlichen Widmungs­schreiben noch ein kurzes sogenanntes Symbolum, häutig Simbolum geschrieben, hinzuzufügen.

Als charakteristisch für Zeit und Ort entnehmen wir dem Stamm­buch der Demoiselle Hoppensack die nachstehenden 16 Widmungen in Vers und Prosa.