Heft 
(1896) 5
Seite
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17. ((>. öffentl.) Versammlung des IV. Verein,sjahrcs. 19

überschriebene Sonett, das vielleicht am besten über den Charakter und die Art seiner vielfach masslos übertriebenen Liebe Auskunft giebt, erzählt es uns.

Mit Flammenschrift war billigst eingeschrieben Petrarkas Brust vor allen andern Tagen Karfreitag. Ebenso, ich darfs wohl sagen,

Ist mir Advent von Achtzehnhundertsieben.

Ich fing nicht an, ich fuhr nur fort zu lieben Sie, die ich früh im Herzen schon getragen,

Dann wieder weislich aus dem Sinn geschlagen,

Der ich nun wieder bin ans Herz getrieben.

Petrarkas Liebe, die unendlich hohe,

Wahr leider unbelohnt und gar zu traurig,

Ein Herzensweh, ein ewiger Karfreitag.

Doch stets erscheine fort und fort die frohe,

Süss, unter Palmenjubel, wonneschaurig,

Der Herrin Ankunft mir, ein ewger Maitag.

Die in dem letzten Wort liegende, der Form des Sonetts so gemässe Pointe ist zweifacher Natur. Ausser dem Gegensatz zum Karfreitag liegt in ihr eine Anspielung auf den Monat, in dem Minna Herzlieb geboren wurde, die am 22. Mai 1782 das Licht der Welt erblickte.

Bezeichnend für Goethes Beziehungen zu ihr, für die Natur seiner Empfindungen für sie, ist auch das 5.,Wachstum überschriebene, am 13. Dezember 1807 gedichtete Sonett, von dem Minna Herzlieb eine Originalhds. hesass.

Als kleines artges Kind nach Feld und Auen

Sprangst Du mit mir so manchen Frühlingsmorgen.

Für solch ein Töehterchen, mit holden Sorgen,

Möcht ich als Vater segnend Häuser bauen.

Und als Du anfingst in die Welt zu schauen,

War Deine Freude häusliches Besorgen.

Solch eine Schwester! und ich war geborgen:

Wie könnt ich ihr, ach! wie sie mir vertrauen.

Nun kann den schönen Wachstum nichts beschränken;

Ich fühl im Herzen heisses Liebetoben.

Umfass ich sie, die Schmerzen zu beschwichtgen?

Doch ach! nun muss ich Dich als Fürstin denken:

Du stehst so schroff vor mir emporgehoben;

Ich beuge mich vor Deinem Blick, dem flücht'gen.

Endlich sei noch dasjenige angeführt, das ;,Charade betitelt ist und den Cyclus derSonette beschliesst. Es ist nach dem Ausweis des Goethischen Tagebuchs am 16. Dezember 1807 verfasst und der

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