Heft 
(1896) 5
Seite
73
Einzelbild herunterladen

Bericht über die 2. (1. Arbeite-) Sitzung des V. Vereinsjahres.

73

Thatsächlieh konnten sich Polen uncl Wenden verständigen, infolge dessen sich die Beziehungen zwischen ihnen und den schönen Wendinnen ganz besonders freundlich gestalteten, zu nicht geringem Ärger und Neid der anderen Kameraden.

Unser Quartier war in einem Blockhaus, erbaut aus übereinander­liegenden Baumstämmen, wie es solche ja auch jetzt noch im Spreewald giebt. Die Stube war so niedrig, dass wir nur gebückt drin stehen und gehen konnten. Die stattliche Hausfrau hatte sich deshalb eine ge­bückte Haltung angewöhnt. Wir wurden mit grosser Herzlichkeit auf- genoinmen. Zunächst wurde uns von Weihnachten übrig gebliebener Kuchen in Massen vorgesetzt; dann gabs Kaffee mit Syrup und Schmalz­brot, endlichHirse und Sauerkraut zusammengekocht. So stehts wörtlich in meinem Tagebuch. Unser Nachtlager war in der Scheune; der Wind strich über unsere Köpfe hin, wir aber lagen mollig im wannen Bett und schliefen prächtig. Unser Freund, Unteroffizier von der Lippe, lag im Gänsestall. Zum Frühstück gabs Kaffee mit Kuchen, dann Kartoffeln mitStippe, zu Mittag erst Butter und Brot, dann Meerrettigbrei. Den Nachmittag verlebten wir bei einem Kameraden oder richtiger mit ihm in der Spinnstube seines Quartiers, in der sieb­zehn erwachsene Mädchen sassen und spannen. Auch den Abend brachten wir hier zu. Auch viele andere Soldaten stellten sich ein, es entwickelte sich lärmende, ja ausgelassene Fröhlichkeit.

Am 31. Dezember wurden wir umquartiert; das Haus war neu. Der erste Eindruck war unangenehm, das verlor sich aber bald; guter Kuchen und Kaffee, abends Hirsensuppe. Eine Sylvesterbowle wurde mit Kameraden getrunken; dann in unserm Bett auf dem Speicher gut geschlafen, ohne Jammer früh aufgewacht.

Am 3. Januar marschierten wir weiter nach dem Dorfe Guhro. Unser Quartier war bei einem Bauer Bossann. Die Frau war erkrankt, lag im Bett und störte unsere Nachtruhe durch anhaltendes Husten und Stöhnen. Sie zeigte eine gewisse Bildung, da sie in ihrer Jugend in der Stadt gelebt hatte, sprach auch gut deutsch, während ihre Kinder, be­sonders die zwei Töchter, meist wendisch und nicht gern deutsch sprachen. Es war ein freundliches Quartier. Den Abend verlebten wir auch hier m einer Spinnstube mit Kameraden zusammen. Vom Lehrer entlieh ich Bücher zum Lesen.

Am 6. Januar machte ich mit einem Kameraden einen Ausflug nach Kottbus. Wir tranken schlechtes Bier, mässige Chokolade, be- griissten die Spree. Die Stadt machte auf uns einen etwas langweiligen Ein­druck, auch kein hübsches Mädchen sahen wir; wir waren eben im Spree­wald bereits verwöhnt worden. Damals führte nur eine Pferdeeisenbahn von Kottbus nach dem Schwieloch-See. Als ich dreissig Jahre später