Heft 
(1896) 5
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Bericht über die 2. (1. Arbeite-) Sitzung des V. Vereinsjahres.

in Kottbus war, war der Eindruck ein viel günstigerer, und Kottbus ein Hauptknotenpunkt für die Eisenbahnen geworden.

Am 9. Januar wurde wieder ausgerückt und nach Werben mar­schiert. Mancherlei Unordnungen in der Kompanie mussten bestraft werden, die Zucht war locker geworden. Es war mit die Folge des ziellosen Umhermarschierens und Umherliegens. Es war hohe Zeit, dass wir den Spreewald verliessen; es ging den Leuten da zu gut.

Bevor ich aber vom Spreewald Abschied nehme, will ich aus meinem Tagebuch noch Einiges über das Leben und Treiben daselbst, so weit ich es vor 45 Jahren kennten lernte, mitteilen. Zunächst das Essen, das ja bei uns eine grosse Rolle spielte, betreffend, so konnten wir mit ihm wohl zufrieden sein. Wir hätten ja von unseren Rationen leben können und müssen; aber es wurde uns fast überall Gastfreundschaft geboten. Morgens gab es Kaffee mit Kartoffeln und Butter oder Schmalz; zu Mittag erst Schnaps und Butterbrot, dann kam das eigentliche Essen, besonders viel Rotkraut und Hirse,; abends Kaffee oder Suppe und Kartoffeln. Das breitgeformte Brot schmeckte vortrefflich.

Die Kleidung der Mädchen und Frauen war wohl im ganzen die­selbe, die inan noch jetzt sieht. Sie trugen bunte, meist selbst gewebte wollene, kurze Röcke, schöne, bunte, künstlich um den Kopf geschlungene Tücher, oft von Seide, aus denen nur das hübsche Gesicht heraus- sah. Sonntags trugen sie eine Art Haube mit daran befestigter Hals­krause. Auf der Strasse gingen sie mit grossen Holzpantinen, in der Kegel ohne Strümpfe, selbst im Winter. Sie waren sehr reinlich. Wenn sie 'das Vieh besorgt hatten, wuschen sie sich Hände, Arme und Fiisse, und begaben sich mit schneeweissen Hemdärmeln in die Spinnstube.

Über die Kleidung der Männer und Burschen habe ich nichts auf­geschrieben. Sie hatten also keine besondere Spreewaldstracht oder ich hielt es nicht der Mühe wert, etwas zu notieren.

Alles spann: Männer, Frauen, Burschen und Mädchen und dabei wieder die alten Männer und alten Frauen, die jungen Männer und Frauen, die Burschen und Mädchen alle für sich. Morgens nahmen sie ein Butterbrot mit und blieben, so weit sie nicht zu Hause zu thun hatten, bis abends zusammen; dann wurde Abendbrot gegessen und zur Spinnstube zurückgekehrt.

Das im Winter Gesponnene wurde im Frühjahr von den Frauen gewoben.

Die Wenden, Männer und Frauen, erschienen mir als schöner Menschenschlag, besonders die Frauen. Die Mädchen zeichneten sich durch eine dralle Gestalt und durch dicke, runde Arme aus. In der Spinnstube der Mädchen herrschte ein sehr ungezwungener, munterer Ton. Sie liebten Gesang und Scherz, ihre wendischen Lieder hatten etwas Einförmiges, Wehmütiges, doch Melodiöses. Sie liebten es, einem