Der Tod des Abtes Siebold. (1190.) Von Carl Bolle.
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Wenn nur, blutheischend, im Glaubenskampf
Sieh nicht stritten die Religionen, Der Christ nicht vergäss’ des Erlösers Wort:
Im Menschen den Bruder zu schonen;
Und nicht begehrete Hof und Haus, Ob erbaut von ungläub’gen Händen, Weil gnädig der Himmelsherr gab ein Land
Dem Sachsen, ein andres dem Wenden.
Wer, wenn dieser Stätte Frieden er sah
Bei der Sommerluft holdsel’gem Grüssen,
Hätt’ wohl geahnt, dass ein solcherTag Mit vergossenem Blut würde schliessen ?
Es kennet die Thür, nach Wendenbrauch,
Nicht Eisen von Schloss noch von Riegeln.
So arm und so ehrlich! Niemand denkt Dran des Nachbars Habsucht zu zügeln.
Prälat, eh’ du überschreiten willst Die Schwelle zu friedlicher Kammer, Sprich, hat keine Ahnung dich gewarnt, Hast nicht du geträumt von Jammer?
Hast Nachts nicht gehört du Käuzleinschrei,
Todesnot kündend und Verderben, Nicht treuen Hundes Wehegeheul, Das vorhersagt plötzliches Sterben?
Auf diesem Hof hier, wo du stehst, Liess gestern gespenstig sich hören Die Bozawoss, stets erscheinend da, AVo Unglück ein Haus will verstören
Galt nur dem Wirte das Klagelied? Dir, Cistercienser, nicht minder.
In langes Haar sitzet eingchüllt Der winselnde Spuk, klein wie Kinder,
Der aus den Sphären der Geisterwelt Lässt hören sein schwermütig Carmen, Zu Sterblicher Elend sich niederbeugt Mit überirdischem Erbarmen.
Im Fliederstrauch, im Haselbusch, Ruft schaurig es: Wehe, wehe!
Sie fürchteten unter dem Schilfdach lang’
Schon heranzieh’nden Unheils Nähe.
Dem Fischersmann und seinem Weib, Dem Kirchenfürsten, dem hohen,
Will stürmend an mit grausiger Wucht,
Entsetzlich ein Schicksalsschlag drohen.
III.
Es spielten barfuss, im Linnenkleid Hier unschuldsvoll Mägdlein und Jungen, Ganz unbewusst all des Herzeleids, Das Fremd’ ihnen aufgezwungen.
Die Kinder flohen aufs Gradewohl. Der Lai’nbruder in dem Gehöfte Blieb still draussen sitzen auf der Bank; Ein Hündlein rings um ihn her kläffte.
Der Mönch schritt wohlgemut in das Haus Weg über die demüt’ge Schwelle. Was weiter gescheh’n drin, dem versagt Historia des Fackellichts Helle;
Doch war es sicher ein erster Akt Wie grau’nvoll Tragödien ihn haben, Wo allzu häufig der Faden schürzt Sich um Pfeile des Götterknaben.