Der Tod des Abtes Siebold. (1190.) Von Carl Bolle.
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Wohl ist von Missverständnissen voll Das Gewebe der Weltgeschichte.
Von einem, das recht verfänglich klingt, Verzeiht, wenn ich schüchtern berichte.
Es hat davon ein besserer Mann In Prosa erzählt unbefangen.*)
Die Keim’ entschuld’ge, wer will und kann,
Die mir im Gehör darob klangen. —
Dies Wort, gerufen am Ufersaum,
Ein Todesurteil ist’s geworden Als flüstr’ es den Kleinen Smertniza ein, **)
Die Lust fühlt an grässlichem Morden.
Solche Klag’ aus rosigem Kindermund Schrill drang sie dem Vater zu Ohren. Ihm kocht das Blut. Jetzt zwar Pfaffensklav’,
Ward doch er als Dreier geboren.
Mag leichter sein Knechtschaft von altersher,
Doch eh’ man sich ihrer gewöhnet, Entringt der Brust sich, erinn’rungs- schwer,
Manch ein Seufzer, gramvoll gestöhnet.
Vorüber ziehn in des Fischers Hirn Schon halbvergess’ne Gestalten;
Es winken ihm aus dem Schattenreich Vertraulich zu seine lieben Alten,
Für die man nicht Totenmesse sang Weil sie ungetauft schieden von hinnen. Er selbst liess, öffnend die Fensterlad’, In Luft ihre Seele entrinnen
Hat nicht als Kind ihm Mutter .erzählt Von polabischer Freiheit Zeiten?
Die Frau sah Jazko, den jungen Held, Noch als wendischen König reiten.
Und wohnt im Herz nicht heiss ihm der Fluch,
An Petrussa’s Namen gebunden,***) Der, wo ein Wilz’ haust in Busch und Luch,
Wiederholt ward zu allen Stunden?
Bei Grossmutters Tod lag vom Swantewit
Noch ein Bild unterm Sterbekissen. Nicht wollt’, in den ew’gen Schlaf gewiegt,
Sie das Kreuz, das man vorhielt, küssen.
Weit hinter ihm dies. — Jetzt ist er Knecht;
Um ihn her spricht’s in fremder Zunge, Doch ein Häuschen blieb und die Gattin drin
Ihm, die zärtliche, schöne, junge
Selbst diese, sein einzig herzliebes Weib, Soll nicht mehr allein er besitzen! Wie bitter kränkt das! Scharlachrot Sclheint’s vor seinen Augen zu blitzen.
Zu mir, Gefährten, denn meine Schmach Die Schande ist es von euch Allen. Wir waschen sie ab mit Priesterblut. Heut noch soll ein schuldigllaupt fallen.
Ihr Blut, so heisst’s, sei edlerer Art; Das unsere Blut nur von Hunden Lasst wieder mal seh’n, wie’s Deutschen spritzt
Frisch aus klaffenden Todeswunden.
*) Wilibald Alexis in den „Hosen des Herrn von Bredow“.
**) Die Todesgöttin
***) Petrussa, Pribislav's Königin, aus fremdem Normannenblut, übergab nach dem lange verheimlichten Tode ihres Gemahls, mit Übergehung ihres Neffen Jazko, des rechten Erben, die Hauptstadt Brandenburg an Albrecht den Bären. Dies hat den endgültigen Sturz der Wendenherrschaft entschieden.
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