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Der Tod des Abtes Siebold (1190). Von Carl Bolle.
Sei’n Freie, und wär’s nur für einen Tag Wir, wie es die Väter sonst waren; Nachher mag Flins, der grimme Gott, Zum Czernebog hin mit mir fahren.
VI.
Der Abt vernimmt um sich her Getös, Viel Drohungen zorniger Wenden; Wie gerne gönnt’ er die Martyrkron’ Den Blutzeugen andrer Legenden.
Kam langsam her. Hinweg geht es schnell.
Der Wald hat ihn schützend umfangen. In eiliger Flucht scheucht er das Wild Und vor sich her ringelnde Schlangen.
Dass Feind’, die sonst ihm küssten die Hand,
Kaum fasset er diesen Gedanken, Hinstolpernd bang über Stock und Stein, Scharf geritzt von des Brombeerstrauchs Ranken.
Auf seinen Fersen tobt wilde Jagd. So jagt nur wer selbst ward gejaget, Aufs Neu’ annehmend Wolfsnatur Statt Lammsinns, der feigherzig zaget.
Im Fichtenforst stand ein Eichenstamm— Daran ist er emporgeklommen;
Den Flüchtling hat hohen Wipfels Laub In schattenden Schirm aufgenommen.
Fast schien’s, als ob er gerettet sei. Ein Schlüsselbund ward sein Verderben. Beim Klettern entfiel’s auf grünes Gras, Das rot sein Blut bald sollte färben.
Hätt’ er vertrauet der Ehrlichkeit Der Confratres Kasse und Keller, Daheim gelassen das Schlüsselbund, Gelaufen wär’ dann er weit schneller.
Leicht hätten seine Verfolger wohl Verscheuchet vom Kloster her Retter, Und, gleich den späteren Äbten, wär’ Sanftseelig gestorben im Bett er.
Erst führten Plumpawas*) sie allein Und Rudel, das Wasser zu teilen; Jetzt haben sie zum Dorf geschickt Nach Messern und blanken Beilen.
Die Eiche haut um mit scharfer Axt. Den Vogel drauf wollen wir fangen. Gescheckt sitzt oben er elsterngleich, - Mit Zähnegeklapper und Bangen.
Bei jedem Schlage, der laut erdröhnt, Der Borke und Holz lässt zersplittern, Hört, wie Abt Siebold um Mitleid fleht. Er wehklagete unter Zittern:
Von alledem was nur heisst Weib Soll’n Geschorene fern sich halten.
Jus primae noctis — o nimmermehr Soll in praxi fürder das walten.
Zu lösen jedwede Hörigkeit Bekannt’ er sich gleich als erbötig. Der Robot und zu vieles Gebet Erschienen ihm auch nicht mehr nötig.
Die Kirche ist so grossmütig ja! Umsonst wird man trauen und taufen; Von niemand anders als Nahmitzern Den Fisch zur Fastenzeit kaufen.
Auch soll den Zehnten nicht mehr wie sonst
Eintreiben der Vogt mit Strenge ...
Gekrach des Baumes, das schnitt ihm ab Die Red’ im Tumulte der Menge.
*) Lange Stangen, deren sich noch heut die Fischer im Spreewalde bedienen.