Heft 
(1896) 5
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Bücherschau.

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Bücherschau.

Martin Friedrich Seidel, ein brandenburgischer Geschichtsforscher des 17. Jahrhunderts. Von Johannes Bolte. (Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Königstädtischen Gymnasiums zu Berlin. Ostern 1896, 32 S. 4°.)

Johannes Bolte, der bekannte ebenso vielseitige wie gelehrte Litterar- historiker, der seine gediegenen Kenntnisse schon seit langem auch der Ge­schichte unserer engen Heimat zu gute kommen lässt, giebt in dieser Programm­abhandlung eine Biographie des Herausgebers der Icones virorum etc., jener Sammlung von Portraits um Brandenburg verdienter Männer, die i. J. 1671 zum ersten Mal erschien und 1751 von G. G. Küster neu herausgegeben wurde. B. verfolgt die interessanten Lebensschicksale Seidels, der, 1621 in Berlin geboren, im 18. Jahre die Landesuniversität Frankfurt bezog, sich aber nach der Gewohnheit der vornehmen Männer des 17. Jahrhunderts mit dem Studium an dieser Hochschule nicht begnügte, sondern die Kölner und L eidener besuchte, ja selbst in Orleans einige Zeit zubrachte. Dank seinen

vortrefflichen Beziehungen sein Vater war Kammergerichtsrat, sein Gross­vater einst Mündel des Kanzlers Distelmeyer ward er sogleich, nachdem er sein Studium beendigt hatte, i. J. 1648 Konsistorialrat in Berlin. In dieser Stellung wurde er Ende der sechziger Jahre in dieselben religiösen Streitig­keiten verwickelt, denen Paulus Gerhardt zum Opfer fiel. Er wurde seines Amtes enthoben, verlor sein Hab und Gut und sah sich genötigt in schwedische Dienste zu treten. Doch wurde er nach einigen Jahren wieder in seine Ämter eingesetzt. Er starb 1693.

Natürlich beschränkt sich B. nicht auf die Darstellung des Biographischen. Auch mit der Individualität des Mannes, einer bescheidenen, liebenswürdigen Gelehrtennatur macht er uns bekannt, um ihn zuletzt in seiner Eigenschaft als Sammler und Historiker zu charakterisieren. Er unterrichtet uns über die Entstehung der Icones, bespricht die Herkunft der Bildnisse und prüft ihre Glaubwürdigkeit. Um das Seidelsche Werk einer derartigen Kritik zu unterwerfen, war eine umfassende Kenntnis auch der entlegeneren Litteratur des 16. und 17. Jahrhunderts erforderlich, die uns bei B. freilich nicht über­rascht. Und doch bezeichnet diese Partie nicht den Höhepunkt der kleinen Schrift. Wie es wohl zu geschehen pflegt, dass im Unscheinbarsten das Tüchtigste verborgen ist, so liegt der Hauptwert dieser Abhandlung in einem Verzeichnis.Verzeichnis von Seidels Werken nennt B. den dritten Teil, in dem er die Gedichte Seidel war auch ein Poetlein die gedruckten Prosawerke und die von ihm hinterlassenen Handschriften aufzählt. Dieser letzte 126 Nummern umfassende Abschnitt ist besonders verdienstlich. Seidel war im Zusammentragen von Material für die Geschichte Berlins und Brandenburgs von einem nicht zu ermüdenden Fleiss. Eine Unmasse von Bänden schrieb er selbst ab oder liess sie kopieren. So verschaffte er sich die nur handschriftlich vorhandenen Geschichtswerke des Garcaeus, Creusing, Haftiz, Schnee, die namenlosen Chroniken von Guben und Sorau. Aber auch