Heft 
(1896) 5
Seite
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180 W. v. Schulenburg, Märkische Kräuterei aus dem Kreise Teltow.

(= Erdmutter) bei Germanen in Norddeutschland, und im besondern eine Ärntegottheit, eine Göttin der Fruchtbarkeit, des ländlichen Segens, der auf dem Getreide ruht. Wer fühlt ihn nicht heute noch, wenn er im Juni durch die wogenden Kornfelder geht, namentlich an einem stillen, feierlichen, sonnenglänzenden Sonntag-Vormittag, der doch auf dem Lande nur der wahre Tag desHerrn ist. Für die deutsche Vorzeit kommt hierbei wohl hauptsächlich in betracht die Herrin des Himmels und der Erde, die Gemahlin des Wodan, nämlich die Göttin Harke, denn von dieser ist unsereFraue Harke ein Nachhall, mag der Name Harke bei uns im Altertum ebenso oder anders gelautet haben. An sie erinnern noch Namen im westlichen Deutschland und in Geldern. Schon bei Gobelinus Persona wird berichtet (aus der Zeit vor 1418), dass die Alten erzählten (also grade wie bei uns jetzt noch auf dem Lande!), dass in den Zwölften (festum nativitatis Christi ad fest um epiphaniae domini) die Frau (domina!) Hera durch die Luft fliegt.Vrowe Hera, vro Here de vlugliet, so sagte man damals im Volk,et credebant illam sibi conferre rerum temporalium abundantiam (Grimm). Tn-einem angelsächsischen Spruch, einen verhexten Acker wieder fruchtbar zu machen, heisst es (nach Grimm):Erce! Erce! Erce! eordan mödor (= Erdmutter).

In wendisch redenden Dörfern, wenigstens in einigen mögen andere in anderen nachforschen!, heisst die Konifrauschwarze Anna. Das erinnert an die Bilder der schwarzen Muttergottes, die in besonderer Verehrung stehen in manchen Gegenden Deutschlands und auch wunderthätig sind. Auch das Christuskindlein habe ich mit schwarzem Angesichte gesehen. Die Anna soll die Haare aufgelöst haben, wie die Frau Holle wirres Haar hat. Frau Holle ist die Göttin Holda (Hulda), denn plattdeutsch Holle ist hochdeutsch Holde. Um­gekehrt thut Maria (am 2. Juli) sich die Haare kämmen (s. Beerschkene). Auf das Gebäck Höllenzopf habe ich hingewiesen in der Z. f. E. Verh. 1888, 156 und 1893, 279280). Sein Name deutet vermutlich auf die Frau Holle hin. Die (Korn-) Anna hat grosse Zähne, wie die Frau Holle lange Zähne hat (W. S. 131. Anm. 2), und die Kornanna ent­spricht der Roggenmnhme. Die Roggenmuhme (s. Rorenblume) und Kornmutter hat eiserne Brüste u. d. m. Ich begnüge mich mit diesen Andeutungen für die in diese Dinge Eingeweihten.

Es ist sicherlich sehr schwer, in vielen Fällen, heutzutage fest­zustellen, welcher Gottheit des Altertums einzelne Züge angehören und zu welcher Zeit, d. h. zu welchem Zeitpunkte der Entwicklung der germanischen Gotteswelt, sie diese oder jene Ausgestaltung gewonnen hatte. Aber der grosse Gott Godan und seine Gemahlin, die stehen fest. Sie wurden durch das ganze alte Deutschland, in seinen weiten Gränzen hin, und von allen Völkern der Germanen verehrt. Deshalb