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Die Dreifelderwirtschaft.
wo Gemeindefelder und Gemeindebrachwirtschaft war, da waren auch gemeinsame Ilütewiesen, Anger und Weiden. Wir selbst haben alles noch so gehabt bis zur „Separation“. Erst nach 1848 wurden hei uns auch die Gemeinde-Weiden „separirt“, das heisst auseinandergelegt, jedem Bauern sein besonderes Land abgegrenzt. Dasselbe Wort seiner Sprache, separent, das der Römer vor 1800 Jahren niederschrieb, brachten unsre heimatlichen „Bürokraten“ in der'Mark, allerdings unberechtigt, wieder zu unverdienten Ehren. Sicherlich hat mancher frische „Bua“ der deutschen Berge, wenn man ihn damals nach Italien führte, dort zwischen den überall künstlich abgegrenzten Gärten und beengendem Gemäuer, seine Heimat schmerzlich vermisst und voller Sehnsucht nach den grünen Wiesen und Wäldern, wo er noch heute als kühner Sohn der Freiheit über die Berge steigt, ebenso gesprochen: „Des mog i net“, wie heute so mancher das Gleiche sagt von Berlin und anderen Grossstädten mit ihrem Wagengerassel und Fabrikgehämmer und dem Rauch der qualmenden Schlote. Nun gar künstliche Bewässerung! Das alte Deutschland war feucht und überreich an Gewässern. Künstliche Bewässerung werden erst unsere Nachkommen nötig haben, wenn man fortfährt wie bisher das Laubholz und die Teiche und Seen zu vertilgen.
Schon aus dem Ausdruck ubertas in dem Satze: nec enim cum ubertate et amplitudine soli labores contendunt, dürfte hervorgehen, dass /Tacitus dabei nicht grade an den leichten Sandboden der Mark und andrer Gegenden gedacht hat, wenn er den alten deutschen Bauern der vorgeschichtlichen Zeit Mangel an Leistungsfähigkeit in ihrem landwirtschaftlichen Betriebe vorwarf, eben in Hinblick auf die damals in hoher Entwicklung befindliche Gartenwirtschaft Italiens. Dazu kommt, dass die Germanen noch emsig die Jagd und Fischerei und Bienenzucht betrieben. Andrerseits ist nicht zu vergessen, dass in kleinen und mittleren Wirtschaften bei uns noch bis in dieses Jahrhundert der Boden sehr viel weniger ausgenutzt wurde als heute.
Nur das Getreide, das Korn, wird der Erde abverlangt, auferlegt, sagt Tacitus. Zu dieser Stelle bemerkt ein hervorragender Gelehrte] 1 und Erklärer der Germania: „Eine tiefere Niedrigkeit des Feldbaues giebt es nicht.“ Darüber werden unsre Landleute mit dem Kopf schütteln und sie müssen es verstehen, denn sie sind Sachverständige. Sie möchten Gott danken, wenn sie nur recht viel Getreide bauen könnten, dann liessen sie gern manches Nebensächliche beiseite. Aber weil sie nicht mehr genug Roggen bauen kann auf Grund der heutigen 'Verhältnisse, darum geht unsre Landwirtschaft zurück und greift zu allerhand Notbehelf.
Wie aus allem ersichtlich ist, hat Tacitus sehr sorgfältige Nachforschungen angestellt über das alte Deutschland und seine Bewohner. Ausserdem steht sein Bericht über den damaligen Ackerbau im all-