Heft 
(1896) 5
Seite
224
Einzelbild herunterladen

224

Die Dreifelderwirtschaft.

vorzeitig, und eine solche geregelte Landwirtschaft der Dorfgemeinden bestand im ersten Jahrhundert nach Christus, beweist, wie alt dieKultur der Germanen in Deutschland war. Von allgemeinem Jsomadentum und beständigem Herumziehen im Lande ist keine Rede.

Wie bereits erwähnt, finden sich auch in der Gemeinde-Felder­wirtschaft der neusten Zeit gewisse Unterschiede je nach Boden und Örtlichkeit. Wenn nun auch die urdeutsche, germanische Gemeinde- Felder Wirtschaft von der neueren Gemeinde-Felderwirtschaft, im beson­deren auch der Dreifelderwirtschaft, abgewichen ist und abgewichen sein mag, in der Hauptsache gleicht sie doch der unsern in der Mark.

Ein wesentlicher Unterschied aber war, wie aus der Angabe des Tacitus hervorgeht, vorausgesetzt: die Auffassung dieser Stelle ist richtig, dass die Ackerstücke (die Hufen) der Gemeindefelderwirtschaft nicht festes erbliches Eigentum der Hofbesitzer waren. Es war Gemeindeland und jedes Jahr wurden die Ackerstücke der Reihe nach verteilt, jeden­falls wohl aus Gerechtigkeit, dass nicht einer oder bestimmte Leute immer nur den besten Boden hatten. Aber es herrschte keineswegs Gütergemeinschaft, auch nicht Standesgleichheit. Einzelne Leute von höherem Ansehen oder Herkommen, dieVornehmen, wie unsre Land­leute sagen, bekamen mehr Hufen vom Gemeindeland zur Bestellung als die andern. Denn das bedeuten die Wortequos mox inter se secundum dignationem partiuntur. Wir sprechen ja auch heute noch von länd­lichenWürdenträgern, sogenanntenHonoratioren, dazu gehören Schulze, Beisitzer, Gerichtsmann, Kirchväter u. d., auch reichere Bauern, Kossäten, Müller, Gutsbesitzer u. a. Damals in der Vorzeit gehörten noch ganz andre höhere Leute, selbst die Fürstlichkeiten, den Land­gemeinden an. Denn Städte wie jetzt oder im Mittelalter gab es nicht. Alles lebte draussen im Freien, auf dem Lande, darum waren die Menschen auch urkräftig und gesund.

Worin die höhere Stellung oder der höhere Rang bestand, wird von Tacitus nicht ausdrücklich angegeben. Sicherlich hat sie nicht aus­schliesslich auf grösserem Besitz oder Vermögen beruht. DieReichen besassen, nach jener Angabe des Tacitus, nicht bestimmte Hufen in den Gemeindefeldern als Eigenthum, aber sie hatten doch die Nutzniessung davon. Jedes Jahr wurden dieEugene (agri), die Ackerstücke verteilt. Wer seinen Verhältnissen gemäss mehr Land bekam, konnte wohlhabender werden. Gerade wie es auch in Wittstock, und sonstwo, Bauern gab, die vier Hufen Ackerland hatten in der Dreifelderwirtschaft, andre dagegen nur zwei. Mit dem grösseren Besitz w ar wie meist immer eine höhere einflussreichere Stellung in der Gemeinde verbunden. So hatten noch bis in unsere Zeit die Bauern in der Gemeinde eine höhere Stellung als die Kossäten, nicht zu reden von ihrem Verhältnis zu Büdnern und Tagelöhnern. Oder auch umgekehrt, die höhere, oft wohl durch eignes