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Wolborgen und der Wolborgbauer.
wie „die Mutter Erde“, die Göttin „Nerthus“ oder „Herta“ (Erda) selbst es war, aus derem dunklen Schosse Alles hervorging, alle „Wunder“ und alle „Gottesgeheimnisse“ und in die wir alle wieder, als in die „grosse Heimath“, „zurükkehren“ von der „irdischen Wanderfahrt.“
Was jetzt im Landvolk die „Kräuterfrauen“ sind, die „klugen Frauen“, mitunter auch die „Hexen“, das waren in unsrem Altertum bei grösserer Wissenschaft und Weisheit und bei grösserer Achtung des Volkes die „weisen Frauen“, die Allraunen oder „Albrunen“, wie sie schon zu Christi Zeiten in Deutschland hiessen. Eine solche „kluge Frau“ war einst mit drohendem Blick entgegengetreten dem Befehlshaber eines römischen Heeres, das, im Jahre 9 nach Christi Geburt, bis an die Elbe vorgedrungen war, nämlich dem Drusus, einem Bruder des Kaisers Tiberius. Ihre Unheil verkündenden Worte beugten das Gemüt des furchtlosen Prinzen tief nieder, der abergläubisch war wie alle Römer des Altertums. Ihr Aberglaube wird ja noch auf den deutschen Schulen mit Wohlgefallen gelehrt, als Bildungsmittel! Noch haben wir das Wort raunen, jemandem etwas geheimnisvoll sagen. Zu Wolborgen, wenn der Lenz sein Füllhorn wieder ausschüttet in Wald und Wiesen, auf Feld und Flur, werden sie sich versammelt haben auf Bergeshöhen, wo man an heiligen Stätten Gottesdienst abhielt, und werden dort ihre Reigen unter feierlichem Gesang getanzt, d. h anmutvoll und würdig gegangen haben, wie die Kinder auf dem Lande von Alters im Reigen gehen und singen und wie in der Sage die ausgelassenen Hexen tanzen auf den Berghöhen der Blocksberge. Was da ausserdem noch ursprünglich „Mythisches“ hindurchspielt, kommt hier nicht in Betracht. Ursprüngliches, was nebenbei immer wieder von Neuem hervortritt, in die spätere Entwicklung hineintragen, hiesse nur: ein bestimmtes Zeitbild verdunkeln. \
Aber es bestand auch Baumdienst bei den Alten. Nicht dass man ein Stück Holz als göttlich verehrt hätte, sondern schöne alte Bäume regten durch die Erhabenheit ihrer gewaltigen Grösse die menschliche Seele zur Verehrung der Gottheit an und an ihnen ersah man schöne Stätten zu Opfer und Gebet, zur Gottesverehrung. Auf jeden gemütvollen Menschen macht auch heute noch ein schöner alter Baum einen „erhebenden Eindruck“, nur „wer mit verhärtetem Geinüthe den Dank erstickt, der ihm gebührt“ lässt ihn kalten Herzens niederschlagen. So finden wir auch noch an den Gränzen der Mark die Sage, dass die Hexen auf gewissen alten Bäumen sich versammelten zur Maifeier. Wenn unsere Berghöhen in der Mark einst wieder werden bewaldet sein, worauf der Gang der Dinge hinweist, dann werden auch von neuem dankbare Pilgerscharen dort ihre Naturfeier abhalten.