Heft 
(1896) 5
Seite
237
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Ursachen des Fischsterbens und Fischmangeis in der Spree und Havel. 287

Stande nicht Abhülfe schafft, oder wo von mehreren Schützen in einer Frei­arche nur eine läuft, da gebe man mehrere Schützen frei, und auch dann tritt Hülfe ein.

Für die Richtigkeit dieser Behauptung werde ich wieder den Beweis erbringen.

Bekanntlich sind die Ufer der Havel unterhalb Potsdam bis zur Havel­mündung von zum Theil unter dem Wasserspiegel liegenden Wiesen umsäumt, welche durch Austreten der Havel im Herbst und Frühjahr überflutet werden; ferner ist bekannt, dass der Ilavelfluss bei Brandenburg und Rathenow durch Schleusen und Freiarchen gesperrt ist. Je nachdem nun im Interesse der Schifffahrt der Wasserstand der Havel ein hoher oder niedriger genannt wird, werden an beiden Orten durch Strombeamte die Schützen in den Frci- archcn geöffnet oder geschlossen.

Bei beiden Städten haben wir nun dasselbe Schauspiel des Massen­mordes unter den Fischen wie hier in Berlin, wenn, wie dies im Frühjahr geschieht die Schützen der Freirtrchen eingelassen werden. Durch diese Absperrung staut das Wasser aufwärts und flicsst über die Wiesen ab in Gräben etc., welche mit der Havel in Verbindung stehen.

Das bei diesem Abfluss von den Wiesen mitgeführte verdorbene Gras, Grassamen etc. ruft nun unter den Fischen dieselbe Erscheinung hervor wie hier in Berlin der Schmutz. Auch bei Brandenburg und Rathenow kann man die Fische zu tausenden auf dem Rücken treibend sehen, zum teil tot, zum teil mit dem Tode kämpfend.

Hilfesuchend wenden sieh die Fischer in solchen Fällen an den be­treffenden Strombeamten, und dankbar zeigen sie sich, wenn dieser Beamte Ein­sicht genug besitzt, ihren Bitten nachzugeben und die betreffenden Freiarchen auf kurze Zeit wieder öffnet, um frisches Wasser in den gesperrten Graben zu lassen, damit eine starke Strömung das verpestete Wasser wieder reinigt.

Der Erfolg dieses Mittels-macht sich dann stets auch bemerkbar. Denn die noch nicht toten oder nicht ganz betäubten Fische werden in ihren Bewegungen lebendiger, sie erholen sich und suchen in schleunigster Flucht aus dem gefahrdrohenden Element ihre Rettung, nicht aber, dass sie nun mit dem Strome schwimmen sollten, sondern alles, was sich aufzuraffen noch imstande ist schwimmt dorthin, woher das frische Wasser kommt. Dies Schauspiel kann man, wie bereits gesagt, alljährlich beobachten.

Würden die Schützen nach und nach eingelassen, sodass ein ordnungs- mässiger Abfluss stattfinden könnte, dann bliebe auch hier, sowohl in Brandenburg wie in Rathenow, den Fischern das widerwärtige Schauspiel eines Massentodes unter den Fischen erspart.

Aber gewaltsamer Massentod ist an der Verarmung des Fischbestandes in Spree und Havel Schuld, wobei die Verunreinigung der Gewässer nicht einmal in erster Reihe steht.

Ich erinnere mich, dass auf diese Fehler seitens interessirter Kreise (auch vom Vorstand der im Jahre 1876 abgehaltenen Fischerei-Ausstellung) aufmerksam gemacht ist, ohne dass bisher Abhülfe geschaffen wurde da­gegen ging das Kopfzerbrechen über die Ursachen der Verarmung des Fischbestandes in Spree und Havel weiter.