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Kleine Mitteilungen.
„Reise“ und „Reuse“. Herr Oberbergrat Viedenz in Eberswalde macht (vergl. Jahrg. IV. S. 150) in dankenswerter Weise darauf aufmerksam, dass der Volksausdruck .Reise“ für einen Wasserriss in-einem Felsen, auch in der Mark vorkomme. Dieser Ausdruck ist mir in älteren Schriften aus unserer Gegend und auch im Volksmunde hier nicht vorgekommen, auch kann er in der eigentlichen Mark nur in den Rüdersdorfer Kalkbergen und in den Sperenberger Gypsbrüchen erwartet werden, da nur dort wirkliche Felsen in der Mark vorhanden sind. Vermutlich ist er in Rüdersdorf durch süddeutsche Bergleute eingeführt worden. Die im Steilgelände unscrs Schwemm-, lands vorkommenden, oft jäh abfallenden Wasserrisse werden im Volksmunde „ Kehle n“ genannt, so in der Märkischen Schweiz bei Buckow die S ilber kehle, die Junker Hansens-Kehle, im Grunewald bei Berlin die Teufelskehle und die H undek ehle.
Anlangend die sprachliche Ableitung, so ist es nach Grimm’s Wörterbuch nicht gerade notwendig, „Reise“ von „Riss“ und „Reissen“ abzuleiten, da „Reise“ sowohl eine sich fortbewegende, rutschende Masse wie Steine, Kalk, Holz bezeichnen kann, als auch daneben den Begriff, den Akt des Gleitens, des Rutschens etc. selbst.
Die Versuchung „Reise“ mit „Reuse“ zu identifizieren, liegt nahe, da nach Grimm „Reuse“ ausser dem bekannten Fischfangsgerät als Nebenform zu „Rause“ einen kleinen Wasserlauf bedeutet; Reuse weist aber wohl mehr auf „Rinne“ und den im Gebirge geläufigen Ausdruck „Runse“ und es ist, wie schon gesagt, nicht nötig, das Wort „Reise“ in der Bedeutung als ausgenagter Felseinschnitt, anders als mit dem Wort „reisen“ überhaupt in Verbindung zu bringen. E. Fr,
Sagen aus der Uckermark. Der Hirtenstein bei Polzow. In der Uckermark bei dem Dorfe Polssen an der Strasse von Gramzow nach Greifenberg, eine Meile östlich vom Ober-Uckersee liegt an einem Bergabhange ein- grosser Stein mit einem breiten Spalt. Über diesen Stein und Spalt erzählt man sich folgende Sage: Ein Hütsjunge, welcher die Schweine des
Ortes hütete, bekam als Frühstück immer ein Stück Brot und einen Käse. Gewöhnlich setzte er sich auf besagten Stein, wenn er sein einfaches Mahl verzehrte. Als er eines Tages wieder auf dem Steine sass und in seinem Kober als Frühstück ein Stück Brot und einen Käse fand, nahm er erst den Käse und rollte ihn den Abhang hinab und dann desgleichen das Stück Brot, indem er rief: „Deubel rönn, de leef Herrgott kricht Di!“ Kaum
hatte er diese Lästerworte gesprochen, da öffnete sich der Stein und er verschwand in die Tiefe. Man hörte ihn noch schreien, aber keiner konnte ihn retten. Hiervon hat der Stein den Spalt.
Der Pferdekopf bei Spitzerort. Südlich von dem Dorfe Seehausen in der Uckermark liegt im Ober-Uckersee eine Halbinsel, welche, weil sich früher daselbst ein Kloster befand, kurzweg Kloster genannt wird. Auf der östlichen Seite dieser Halbinsel liegt eine kleine Landzunge, welche Spitzerort heisst. Von der äussersten Spitze dieser Landzunge bis zur gegenüberliegenden Seite, wo sich ebenfalls ein kleiner Landvorsprung befindet, ist der Uckersee etwa 150 bis 200 Schritt breit und ziemlich tief. Nach Er-