254
Bücherschau.
allein möglicherweise kann der Kastellan des Netten Palais seinem Kollegen diese Ehre der Berücksichtigung durch den Dichterfürsten streitig machen, denn die von Goethe neben jenem Unglücklichen erwähnten Engelsköpfe befinden sich am Neuen Palais, das ja auch im Park vdn Sanssouci liegt. Hoffentlich gelingt es den Goethephilologen, diese wichtige Frage zum Abschluss zu bringen. — Eine ähnlich bedeutende Streitfrage, ob nämlich Goethe in Berlin im Fürstenhause Kurstrasse 52/53, oder Gasthof Zur goldenen Sonne, dem späteren Hötel de Russie, Unter den Linden 23, gewohnt habe, ist ja bereits glücklich dahin entschieden, dass er in beiden logiert habe.“*)
Goethes erster Ausgang galt der Kgl. Porzellanmanufaktur; auch Wegeli, der zuerst eigentliches Porzellan in Berlin fabrizierte, wurde von Goethe besucht. Am selben Tage sprach Goethe bei dem berühmten Porträtmaler Anton Graff und dem Kupferstecher Daniel Chodowiecki vor, bei letzterem zweimal, am 16. Mai allein, am 20. in Begleitung Karl Augusts. Namentlich Chodowiecki, von dem Verf. sagt, wer seine Radierungen nicht kenne, dem bleibe das Verständnis der geistigen und gesellschaftlichen Zustände des fridericianischen Zeitalters verschlossen, wurde von Goethe hoch- geschätzt. Man ersieht dies beiläufig aus einem Schreiben des letzteren vom September 1776 an die Luise Karschin, worin es heisst; „Gehen Sie doch einmal zu Chodowiecki, und räumen Sie bei ihm auf, was so von alten Abdrücken seiner Sachen herumfährt. Schicken Sie mir’s und stehlen ihm etwa eine Zeichnung. Es wird mir wohl, wenn ich ihn nennen höre, oder ein Schnizzel Papier finde, worauf er das Zeichen seines lebhaften Daseyns gestempelt hat.“
Am 17. suchte Goethe den Johann Andr6 auf, einen ihm von Offenbach her befreundeten dilettantischen Dichter und Komponisten, dann den theologisch berühmten Probst an St. Nicolai Johann Joachim Spalding.
Zwischen der Kirche und der Tafel beim Prinzen Heinrich ging Goethe zu dem Maler Johann Christoph Frisch (geb. zu Berlin 1737, f daselbst 1815), von dem u, a. Deckengemälde mythologischen Inhalts in den Schlössern zu Potsdam und Berlin herrühren. Der berühmte Stratege des siebenjährigen Krieges, Prinz Heinrich, der allerdings, wenn möglich, noch mehr als sein königlicher Bruder der französischen Bildung zugewendet war, scheint sich nicht viel um den literarischen Chorführer aus Weimar gekümmert zu haben, wenigstens schweigt sich dieser über den Prinzen gänzlich aus.
Nach der Tafel Spaziergang im Tiergarten. Am 18. machte Goethe wiederum Besuche u. a. bei dem Dichter-Sonderling Gottlob Wilhelm Burmann, und bei Moses Mendelssohn; warum dieser letztere unsern Goethe nicht empfing, scheint nicht mit Sicherheit aufgeklärt werden zu können.
Die Karschin, mit welcher Goethe seit 1776 gelegentlich gebriefwechselt hatte, suchte ihn auf und Goethe, der für die wunderliche Person ein gewisses faible hatte, erwiderte den Besuch. Am 20. Mai fuhren unsere
*) Alle drei Gebäulichkeiten sind längst der Bauwut zum Opfer gefallen. Fr.
