Heft 
(1896) 5
Seite
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Kleine Mitteilungen.

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man in populären Schriften, ja selbst in wissenschaftlichen Darstellungen immer wiederdenseiben haltlosen Annahmen. Zwei Ansichten sind es, die da mit einander abwechseln. Nach der einen hat der Name von Brandenburg ur­sprünglich Brennabor oder Brannibor gelautet, ist also, wie der Augenschein be­weist, slavischer Herkunft. Der Form Brennabor begegnet man oft genug in der Litteratur, und der Weltruf der Fahrradfabrik von Reichstein hat das Seinige dazu beigetragen, um die falsche Form aufs neue im Volke zu verbreiten. Nach der andern ist das Wort Brandenburg zwar wohl deutsch, aber nur die Übersetzung des alten wendischen Namens der Havelstadt, den die Ein­wohner in der frühesten Zeit allein kannten. Beide Auffassungen sind, wie ich zeigen will, durchaus irrtümlich. Die ältesten Formen des Namens, die uns in Chroniken und Urkunden des früheren Mittelalters begegnen, sind von ganz deutschem Klange. In der Gründungsurkunde des Bistums Brandenburg vom 1. Oktober 949, die sich im Domarchiv zu Brandenburg befindet und

u. a. in Berners preussischer Geschichte nach einer Photographie abgcbildet ist, lautet der Name: Brendanburg, und der Chronist der ersten sächsischen Herrscher, der um das Jahr 967 schrieb, Widukind von Corvey, nennt die Stadt, die Heinrich I.durch Kälte, Schwert und Hunger bezwang, Brenna- burg. Diese Formen, die heutige: Brandenburg und ähnliche begegnen uns durch das ganze Mittelalter, und erst die neuere Zeit hat das klare Verhält­nis durch etymologische Spielereien verdunkelt. Dass die märkischen Chro­nisten des 16. Jahrhunderts in Namenableitungen grosses leisteten, ist be­kannt, und ihrer Neigung für das klassische Altertum entsprechend, führten sie den Ursprung deutscher Städte gern auf die Römer zurück. So schreibt Georg Sabinus, selbst ein Brandenburger Bürgermeisterssohn, in seiner be­kannten Beschreibung Brandenburgs: (Scriptores rer. Brand. T. II. pg. 274 ed. Kleyb. Frankf. 1751) Brandenburg besteht aus zwei Städten, deren eine als ihren Gründer Brennus rühmt, unter dessen Führung die Gallischen Senonen Rom 416 v. Chr. (sic!) plünderten, deren andere von dem Franken­herzog Brandus, des Marcomirus Sohn, um 270 gegründet worden sein soll. Und weil beider Gründer Namen mit einander verwandt sind, wurden beide Städte abwechselnd Brenniburg und Brandeburg genannt.

Seit Sabinus spielt denn bis in unser Jahrhundert der fabelhafte Urahn Brennus in der patriotischen Mythologie eine grosse Rolle, und so kommen die Märker und Preussen im Munde der Poeten zu dem geschmackvollen Namen der Brennen. Aber von Brennabor ist auch im ganzen 16. Jahr­hundert noch keine Rede. Derjenige, der diese Form zuerst aufgebracht hat, ist ein gelehrter czechischer Jesuit Bohuslaus Balbinus, der 1677 eine nicht unkritische böhmische Geschichte herausgab. (Boh. Balbinus, epitome historica rerum Bohemicarum. Prag 1677. Lib. I. pg. 23.) Er erzählt, wie Heinrich der Finkler Uber das Eis heranziehend Brandenburg eingenommen habe, vergleicht damit voll Bewunderung den kühnen Zug Carl Gustavs X.

v. Schweden über den gefrorenen Belt nach Fünen und fügt hinzu: Branden­burg wurde in jener Zeit von den Slaven Branny Bor (d. h. silvae custodia, Wache des Waldes) genannt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Ab­leitung von dem czechischen Geistlichen selbst herstammt und dass sie von ihm in der Absicht gemacht ist, um Brandenburgs slavischen Ursprung zu