Issue 
(1896) 5
Page
287
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

11. (2. öfleutl.) Versammlung des V. Vereinsjahres.

287

welclie ein förmliches Tannendickicht, ein sogen. Tannicht, bilden, das an den Urwald erinnert.

So mag es in den germanischen Urwäldern, besonders in den Grenz- und Bannwäldern, ausgesehen haben mit ihren natürlichen Gebücken, die dadurch entstanden, dass die Zweige der Linden, Fichten und anderen Bäume zur Erde geneigt selbstständige Bäume bildeten, die vermischt mit Unterholz, Dornen und Gestrüpp den altdeutschen Hain unpassirbar und nach Seneca, Plinius und Tacitus zu einem Schreckniss für die römischen Legionen und Ansiedler machten.

Beiläufig sei erwähnt, dass Sie neben der Fichtengrnppe noch ein Berberitzen-Gebüsch (von Berberis vulgaris L.) gewahr werden, welches mehrere klumpenförmige Hexenbesen zeigt, wobei ich auf das verweise, was ich Bd. 4 des Monatsblattes S. '28b flg. über dies inter­essante Thema mitgeteilt habe.

Weitere Thatsaehen und Angaben über die Verkehrt-Bäume nehme ich übrigens, wie ich ausdrücklich bemerke, auch fernerhin noch dan­kend entgegen.

Bei der sich an die interessanten Mitteilungen anknüpfenden Dis­kussion bemerkt Herr Dr. Bolle bezüglich dieser eben näher erörterten sogenannten (lediglich auf Aufpfropfungen beruhenden) Yerkehrtiinden, wie er bezweifle, dass sich der moderne Volksglaube auf sie beziehe, weil das Pfropfen der Bäume nicht viel über 100 .Jahre bekannt sei, das Volk also zur Legendenbilduug keine Zeit gehabt habe.

Herr Friedei ist an der Hand vieler Thatsaehen vom Gegenteil überzeugt. Herr Kittmeister Krug hat ihm im Garten von Haus Jessen bei Gassen in der Niederlausitz eine Anzahl absichtlich im Halbkreis gepflanzter Pfropf-Linden der beschriebenen Art gezeigt und dabei erzählt, das Volk und die Ueberlieferung sage, dass diese Bäume verkehrt gepflanzt seien. Das Alter derselben sei auf etwa 80 Jahr zu schätzen. Geheimrat Dr. Wilhelm Schwartz entsinne sich von seiner Jugend ähnlicher Linden, welche in der Nähe des verschütteten Grünen Grabens in dem damals noch viel grossem Garten der Loge zu den 8 Weltkugeln in Berlin gepflanzt gewesen und im Volksmunde allgemein als Yerkehrtbäume bezeichnet worden seien. Diese Bäume, welche jetzt verschwunden, mochten etwa aus der Zeit Friedrich Wil­helm I. stammen. Am Wall in Neuruppin steht eine Linde, welche im Volksmunde die Verkehrtlindo heisst. Fräulein Clara von Förster teilt mit, dass im Schlossgarten zu Schwedt nahe der Oder eine doppelte Reihe eigentümlich gestalteter Linden stehe, welche so ver­schnitten und gebogen sind, dass sie einen schattigen Laubgang bilden. Der Volksmund erzähle von diesen Bäumen, die vielleicht auf 100 Jahre zu schätzen, dass sie verkehrt gepflanzt worden seien.