Issue 
(1896) 5
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11. (2. öffentl.) Versammlung des V. Vereinsjahres.

Auch bemerkt Herr Friedei noch, dass die Kunst des Pfropfens bereits im 17. Jahrhundert allgemein bei uns bekannt gewesen sei und dass beispielsweise der gartenverständige Grosse Kurfürst dieselbe eigenhändig geübt habe.

Hiernächst fügt Herr Wirkl. Geheimrat von Levetzow hinzu, dass die Sage von den Verkehrtbäumen ihm auch aus der Neu mark, insbesondere aus dem Kreise Königsberg daselbst, wo er angesessen, bekannt sei. So stünde im Gutsgarten zu Bärfelde bei Neudamm eine merkwürdig verschnittene Linde, deren zur Erde hängende Zweige eine Laube ringsum bildeten. Der Stamm sei verkehrt flasclienförmig. Der Baum wäre wohl keine ICO Jahre alt. Er heisse allgemein die Verkehrt-Linde.

Herr Bureau-Vorsteher Storbeck hierselbst teilt durch Herrn Sonnenburg mit, dass vor einigen Jahren ein Gärtner in seinem (Storbecks) Garten auf eine gewöhnliche Linde eine andere Spezies ge­pfropft, dem Besitzer aber gleich dabei bemerkt habe, wie sich der auf­gepfropfte Stamm monströs und ganz anders als der Mutterstamm ent­wickeln werde. Die Fabrikation, sozusagen, der vom Volk irrtümlich als verkehrt gepflanzt angesehenen Bäume ist also noch im Schwange.

Nachdem Herr Friedei noch darauf verwiesen, dass ein typischer vielleicht 80 Jahr alter sogen. Verkehrt-Lindenbaum, ebenfalls eine Pfropflinde, sich in unserem Vorortstädtchen Werder befinde, in dem Garten, welcher an dem Treffpunkt der Bahnhofsstrasse mit der Glin- dower Strasse liege, schliesst er mit dem Bemerken, dass die mythen­bildende Kraft unseres gegenwärtigen Volks, welche Herr Dr. Bolle be­zweifle, glücklicher Weise noch vorhanden sei; dies bewiesen z. B. die vielen völlig legendären Erzälilungen, die sich an den französischen Krieg, insbesondere an die Person des Prinzen Friedrich Karl anknüpfen.*)

5. Alte Bäume: Eichen, Zirbelkiefer, Sumpfcypresse.

Ich benutze die Gelegenheit, noch die photographischen Aufnahmen einiger anderer, für die Heimatkunde hoch bedeutsamer, besonders an­sehnlicher Bäume ebenfalls am 1. November d. J. auf der Pfauen­insel durch Herrn II. Maurer veranlasst, vorzulegen:

a) Die isoliert stehende Rieseneiche, deren Umfang 1 m über Terrain, 6 m beträgt und die von Sachverständigen auf das ehr­würdige Alter von 1000 bis 1200 Jahren geschätzt wird.

b) Die Priestereiche am Priesterfelde. Dieselbe, weniger stark, wird auf immerhin mindestens 8(X) Jahr geschätzt und mit dem wendischen Kultus in Verbindung gebracht. Deutlich erkennbar ist der sonderbar breite, erhabene, ringförmige Wulst,

*) Vgl. die interessanten Mitteilungen des Frl. Elisabeth Lemke, die Hohenzollern in neuester Mythenbildung. Monatsblatt II. S. 207 flg.