Heft 
(1896) 5
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12. (3. öffentl.) Versammlung des V. Vereinsjahres.

(Berlin 1875 S. 232) geneigt sein, sich den Weihnachtsbaum aus christ­lichen Anschauungen zu erklären. Der 24. Dezember ist der Tag Adaini und Evae. Die Kirche hatte durch die Wahl dieses Namens die Idee ausdrücken wollen, dass Christus als der zweite Adam den Verlust des ersten wieder einbringe. Denselben Gedanken drückte die Legende so aus, dass Adam einen Apfel oder Ableger des Baumes der Erkenntnis aus dem Paradiese mit sich nahm und einpflanzte; daraus spross ein Baum, aus dessen Holze das Kreuz gemacht wurde, an dem der Erlöser hing. Oder man sagte, dass auf Adams Grabe ein Reis vom Baum des Lebens wuchs, von dem Christus die Frucht der Erlösung brach. Dem­nach wird das Kreuz in der altchristlichen Vorstellung und Poesie als der neugepflanzte, fruchttragende, himmlisch nährende Paradiesbaum inmitten der erlösten Menschheit aufgefasst. Dies ging, nachweislich seit dem 12. Jahrhundert, in die Weihnachtsspiele über. So erspriesst der Ideenkreis, nach welchem der Weihnachtsbaum samt seinen Äpfeln und Lichtern als der zum Lebensbaum gewordene Erkenntnisbauin und Christus selbst, welcher ja auch seinen Stammbaum von David, aus der Wurzel Jesse, herleitet, als Baum des Lebens und Licht der Welt erscheint.

Dennoch ist, wie schon angedeutet, dies nur eine der vielfachen Stützen des Weihnachtskults. Vorweg will ich bemerken, dass 'man die Lösung der zweifelhaften Fragen da, wo man sie in dem 355 Seiten starken, i. J. 1893 in Leipzig bei E. Keils Nachfolger erschienenen Werk Die Geschichte der deutschen Weihnacht von Alexander Tille, z. Z. Dozent des Deutschen an der Universität zu Glasgow,-er­wartet, nicht durchweg findet. Tille hat zwar mit Bienenfleiss eine Menge geschichtlicher Nachrichten gesammelt, aber wie Karl Weinhold (Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, IV. 1894 S. 1(X)) bemerkt, die Verarbeitung des Stoffes durch unrichtige Annahmen und unsichere Beweisführung geschädigt. Auch ist das Schlussergebnis völlig verfehlt. Weinhold fügt S. 101 hinzu:Um ein Wort über den Weihnachts- oder Christbaum zu sagen, so ist derselbe ursprünglich Symbol des frischen Naturlebens, so gut als die Bäumchen oder Zweige bei der Leuz- verkündigung und als der Maibaum. Solche Bäumchen oder Bäume waren und sind daher auch bei Hochzeiten (z. B. in Oststeiermark, Schwaben, im lüneburgischen Wendland) Brauch. Der Aufputz fand sich allmählich von selbst hinzu. Die Lichter des Weihnachtsbaums sind wahrscheinlich von den Lichtern der Christmesse entlehnt. Auch diese Erklärung erschöpft nur einen Teil der Entstehungsursachen. Was den Uranfang des Lichterbaumes anlangt, so kann ich einem anderen unserer kundigsten Altmeister der Mythologie und des Folklore, unserm verehrten Wilhelm Schwartz (Der Weihnachtsbaum. Auch ein Stück Praehistorie in christlicher Form.Bär VII. 1881 S. 197 u. 198) nur durchaus beipflichten.Es ergiebt sich als ein