Heft 
(1896) 5
Seite
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12. (3. öffentl.) Versammlung des V. Vereinsjahres.

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So feierte man bei uns in der Mark vor hundert Jahren Weihnachten, insbesondere in den kleinen Städten und auf dem Lande, gemütlich, behaglich, friedlich. Gleichwohl sind die Bestandteile dabei zum Teil andere als am heutigen Weihnachtstisch. Man sieht Kerzen auf einzelnen Tischchen, da einzeln bescheert wird, deshalb auch ver­schiedene Pyramiden mit goldenen Nüssen. In der Mitte ist vermutlich als Zentralpunkt der Weihnachtsfeier ein grösserer natürlicher Christ- baum zu denken. Wo der Wachsstock so helle brennt ob an dem Weil mach tsbaum oder an den Pyramiden wird nicht deutlich- aus­gesprochen.

Von dieser volkstümlichen Weihnachtsfeier weicht allerdings die vornehm-ästhetische der aufgeklärten, dabei aber sentimentalen soge­nannten gebildeten, höheren Stände, wie sie uns Schleiermacher a. a. 0. S. 3 flg. schildert, gänzlich ab. Im Professoren-Halle ging es 1808 also zu:

Der freundliche Saal war festlich aufgeschmükkt, alle Fenster des Hauses hatten ihre Blumen an ihn abgetreten; aber die Vorhänge waren nicht heruntergelassen, damit der hereinleuchtende Schnee an die Jahrs- zeit erinnern möchte. Was von Kupferstichen und Gemälden sich auf das heilige Fest bezog, zierte die Wände, und ein Paar schöne Blätter dieser Art waren das Geschenk der Hausfrau an ihren Gatten. Die zahlreich und hochgestellten durchscheinenden Lampen verbreiteten ein feierliches Licht, welches doch zugleich schalkhaft mit der Neugierde spielte. Denn die bekannten Dinge zeigte es deutlich genug; das Fremde und Neue konnte nur langsam und bei genauer Betrachtung recht bestimmt wahrgenommen werden. Wie man in einen Wintergarten zwischen den immergrünen Stauden die kleinen Blüten des Galanthus und der Viole noch unter dem Schnee oder unter der schimmernden Dekke des Mooses hervorholen muss, so war Jedem sein Gebiet durch Epheu, Myrthen und Amaranthen*) eingehegt, und das zierlichste lag unter weissen Dekken oder bunten Tüchern verhüllt, indess die grösseren Geschenke rund umher oder auf den Tafeln mussten aufgesucht werden. Die Namens­zeichen fanden sich mit essbaren Kleinigkeiten geschrieben auf den Dekken, und Jedem lag nun ob, zu den einzelnen Gaben den Geber auf­zufinden.

*) Die Amaranten spielen in der sentimentalen Poesie des vorigen Jahrhunderts bis in dieses Jahrhundert hinein eine grosse Rolle, es giebt drei Arten in der Provinz Brandenburg vorkommend und eingewandert: Amarantus caudatus, A. panniculatus und A. retroflexus. Amarantrot war damals eine äusserst beliebte Farbe, jetzt gehört der Amarant namentlich der bekannte Fuchsschwanz, A. caudatus, zu den altmodischen Blumen. Zuletzt hat Oscar von Redwitz den Namen in seinem bekannten Lieder- Cyklus wieder hervorgesucht. Besonders der getrocknet lange die Farbe haltende A. caudatus galt den Dichtern mitunter als Symbol der Unsterblichkeit. Unter Galanthus, ist G. nivalis, das Schneeglöckchen, unter Violen, aas wohlriechende Veilchen, Viola odorata, zu verstehen. Volksnamen galten damals als zu gewöhnlich.

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