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12. (3. öffentl.) Versammlung des V. Vereinsjahres.
gespielt oder gesungen. Erfreulich ist es, dass die evangelische Bevölkerung dies ursprünglich für Katholiken bestimmte Lied ohne Bedenken aufgenommen hat.
Liturgische Andachten sind an Stelle der Weihnachtsmysterien getreten und werden in allen Kirchen und, weil diese nicht hinreichen, in anderweitig beschafften Sälen in wahrhaft andächtiger Stimmung be- I sucht. Zahlreich ist daselbst die Menge aus allen Volkskreisen, auch
aus dem Arbeiterstande und zwar derart zahlreich versammelt, dass, wie ich selbst wiederholt gesehen, hunderte von Personen, weil die Räume bereits überfüllt waren, durch Kirchendiener oder Schutzleute im Interesse der öffentlichen Sicherheit zurückgewiesen werden mussten. Sehr gut besucht sind des Morgens bei uns ebenfalls die Christmetten.
Auch unser heutiger Weihnachtsbauin hat seine Symbole nicht eiu- gebüsst, denn neben den „historischen“ Äpfeln schmücken ihn noch jetzt die von je her üblichen Sterne; oben thront an der Spitze des Baumes das Christkiudlein unter oder über Engeln. Viel häufiger als früher wird eine Krippe unter dem Weihnachtsbaum aufgebaut, es beruht dies darauf, dass viele protestantische Süddeutsche in Berlin weilen und dass in Süddeutschland von Alters her die Krippe allgemein üblich war. Aber auch die über hunderttausend Katholiken Berlins tragen zur Verbreitung der Krippe unter den Evangelischen bei, während umgekehrt diese den Weihnachtsbauin unter den Katholiken verbreiten helfen.
Also wird die christliche Weihnacht in Berlin und in der Provinz Brandenburg zum Abschluss des 19. Jahrhunderts gefeiert.
Wenn unsere nichtchristlichen Mitbürger und Mitbrüder den Weili- nachtsbauin annelunen und zur selben Zeit ihren Angehörigen bescheeren, so freut uns das herzlich und in diesem Sinne nehmen wir vom Weihnachtsbaum auch als einem Wahrzeichen der allgemeinen religiösen Duldung und des allgemeinen Volksfriedens Abschied, indem wir für alle Zeit wünschen und rufen:
fröhliche Weihnachten!
b. Herr Custos Buchholz:
Unter dem Titel „Die Glocken im Herzogthum Anhalt“ ist ein neues Werk erschienen, das wegen seines reichen und die Grenzen unserer Mark eng berührenden Inhalts verdient, zn Ihrer Kenntnis gebracht zu werden.
Dem kurzen Referat über dieses Werk möchte ich einige Worte über den Ursprung des Glockengebrauchs und über alte Märkische Glocken voranschicken.
Wenn auch vereinzelte Nachrichten über den Gebrauch von glockenähnlichen Geräten im Altertum vorliegen, so scheint es sich doch immer mehr um kleine Glocken — Schellen — gehandelt zu haben. Für die Zwecke der christlichen Gemeinden sind jedenfalls während der