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12. (3. öffentl.) Versammlung des V. Vereinsjabres.
7. Aus der „Kunst“-Korrespondenz des Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Von Dr. Georg Galland.
Meine Herren und Damen — Wie in der Kunst, so kann man auch auf dem Gebiet der Geschichte von einem Idealismus und einem Realismus sprechen. Unsere Zeit huldigt ganz entschieden dem letzteren.
( Man begnügt sich nicht mehr damit, nur die grossen weithin sichtbaren
Züge einer Persönlichkeit im Bilde festzuhalten. Man beleuchtet vielmehr alles aut’s genaueste, ja man durchleuchtet es sogar. Früher stand Friedrich Wilhelm der grosse Kurfürst vor dem geistigen Auge der meisten etwa wie ihn Schlüter gebildet — als ein Koloss, ein militärischer Heros. Ähnlich hat ihn auch noch in unsern Tagen der Maler Kamphausen in einem bekannten Bilde dargestellt. An diesem stolzen äussern Bild hat die historische Forschung auch neuerdings wenig andern können. Aber sie hat, indem sie ganz neue Züge seines Charakters und seiner geistigen Lebensthätigkeit aufdeckte, an diesem farbenreichen Fürstenporträt des 17. Jahrhunderts bald hier, bald da einen neuen Pinselstrich hinzugefügt, dort mehr Licht, hier auch ein klein wenig Schatten gemalt — und allmählich dem äusseren heroischen Bilde erst das volle Gepräge innerer Wahrheit, geistiger Beseelung verliehen. Solches ist das Verdienst der gleichsam realistische Grundsätze vertretenden Geschichtsforschung der Gegenwart.
Uns, meine Damen und Herren, soll heute an dem Charakterbilde des Fürsten nur ein kleines, aber apartes Stück interessieren. Dies hängt zusammen mit seiner jüngst oft betonten Eigenschaft als Kunst- - freund und Sammler, die wohl auch unserer „Brandenburgs“ besonders sympathisch und wertvoll sein dürfte. Es sei mir daher gestattet, die Aufmerksamkeit heute zu lenken auf seine „Kunst“-Korrespondenz, von der noch wenig an die Öffentlichkeit gelangt ist. Ich meine übrigens nicht den direkten Verkehr mit damaligen Künstlern, bei denen er bis H ans Lebensende Gemälde, Skulpturen, Bauentwürfe, kunsthandwerkliche
Gegenstände aller Art bestellte: diese reiche Blattseite seiner Lebensgeschichte dürfte wohl schon ziemlich bekannt sein. Sondern ich beschränke mich auf die „Kunst“-Korrespondenz mit seinen Räten im Inland, seinen Gesandten, Geschäftsträgern, Agenten im Ausland, endlich auch mit einzelnen fürstlichen Personen. Diese Korrespondenz, die in Aktenstücken des hiesigen geheimen Staatsarchivs ganz zerstreut liegt, ist ein bis jetzt noch ungehobener Schatz, dessen Bestandteile wohl uns alle interessieren dürften. Denn sie erweitert sehr unsere Kenntnis von den idealen Neigungen dieses Fürsten, der von Anfang seiner Regierung an ein lebhaftes Bedürfnis fand: aus den Ratschlägen, Hinweisen, Kaufofferten, die ihm bekannte und fremde Leute gethan, welche Beziehungen zu Kunst und Künstlern hatten, Nutzen für seine Sammlungen, seine Bildergallerie, seine Kunst- und Raritätenkammer zu ziehen . . .