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18. (4. öffentl.) Versammlung des V. Vereinsjahres.
Nach dem Vorhergesagten möchte es vielleicht so scheinen, als ob wir Luftschifter bei unseren Fahrten ohne jeden Einfluss auf den Verlauf derselben wären. Dem ist aber nicht so. Wenn wir auch nicht die Richtung unseres Fluges nach eigenem Willen bestimmen können, so ist es uns doch oft möglich, durch die Ausnutzung verschiedener Luftströmungen, welche über einander bestehen, einen vorher beabsichtigten Kurs einzuschlagen und damit einem angestrebten Reiseziele näher zu kommen. Die Windrichtungen sind oft in verschiedenen Höhen sehr abweichend von einander, so dass die Fluglinie des Ballons durch Inanspruchnahme der einen oder der anderen sehr gewunden, ja sogar manchmal in scharfen Winkeln verlaufen kann. Ist es doch schon der Fall gewesen, dass meine Offiziere zunächst im nordoestlichen Unterwinde bis nach Potsdam fuhren und nach einiger Zeit im entgegengesetzten Oberwinde wieder nach Berlin zurückkehrten. Ganz so scharf treten die Kontraste allerdings nicht immer hervor, doch sind bei nicht zu stürmischem Wetter Unterschiede der Windrichtung in den verschiedenen Höhen fast stets vorhanden. So hatten wir bei meiner letzten Ballonfahrt vor wenigen Tagen in 500 m Höhe einen Wind, -der uns direkt auf Greifswald führen musste, während dicht über der Erde eine mehr nach Westen gerichtete Luftströmung herrschte. Ich beschloss die letztere auszunutzen,' um nach Demmin zu kommen, von wo aus eine günstigere Verbindung auf der Nordbahn uns schneller nach Berlin brachte, als wie dieses von Greifswald aus möglich gewesen wäre. Um 3 Uhr Nachmittags landeten wir in der Nähe des erstrebten Zieles. Natürlich gehört immerhin eine gewisse Gewandtheit in der Führung des Ballons dazu, um einen solchen vorher gefassten Plan zur Ausführung zu bringen. Ist diese vorhanden, so erscheint weder Berechnung noch praktische Ausführung besonders schwer.
Vor der Abfahrt ermittelt man gewöhnlich die bestehenden Luftströmungen durch kleine mit Gas gefüllte Papierballons, die man in der Luft bei klarer Witterung mit unbewaffnetem Auge auf ziemlich weite Entfernung zu verfolgen vermag. Diese sogenannten [Pilotenballons steigen meistens mit starkem Auftriebe schnell in die Höhe und nehmen in jeder neuen Luftströmung eine veränderte Richtung an. Auf Grund dieser Beobachtungen entwirft der Ballonführer dann seinen Reiseplan, der oftmals auch ziemlich genau eingehalten werden kann. Weniger günstig liegen für die Bestimmung der Reiserichtung die Verhältnisse, wenn die Wolken tief lagern und ein Verfolgen der Piloten nur für kurze Zeit möglich ist, dann sind die oberen Windrichtungen von der Erde aus nicht festzustellen und, was das Schlimmste ist, vom Ballon aus auch nicht. Sobald der Luftschiffer, in den Wolken verschwindend, den Blick auf die Erde verliert, vermag er sich nicht mehr über die Flugrichtung zu informiren, da er weder die Karte noch den Kompass benutzen kann. Es fehlt ihm