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15. (8. ausserordl.) Versammlung des V. Vereinsjahres.
I>as Stück spielt; unter Kurfürst Johann Georg von Brandenburg, der 1571— 15b8 regierte, in Berlin. Der Gang des Stückes, so weit er uns angeht, das heisst, so weit er sich auf die Verkehrt- linden bezieht, ist folgender. Der Italiener Arrighi, Musikus des Kurfürsten, gerät mit einem aus Florenz berufenen jungen Musiker Luigi Nasika in Streit, beleidigt diesen wiederholt und wird von ihm erstochen. Luigi Nasika entflieht unentdeckt. Beschuldigt des Mordes wird der vollkommen unschuldige Goldschmiedssohn Andreas Leuthinger. Bei der gegen letztem eingeleiteten Gerichtsverhandlung bezichtigt zunächst sein Bruder Martin sich selbst der That, dann ähnlich der dritte Bruder Heinrich sich selbst. In ihrer Verlegenheit wenden sich die Richter an den Kurfürsten, der ein Gottesurteil beschliesst:
„Nicht Glut des Feuers und nicht Wassersflut,
Soll Eure Unschuld oder Schuld bezeugen; '
Denn Zweifel sind mir ins Gcmiit gefallen,
Ob recht gethan sei, mit so bitt’rer Qual Die Unschuld zu erproben. Eure Leiber Muss ich drei jungen Bäumen gleichen, die Im Boden unserer Stadt einst Wurzel schlugen;
Er spendete Euch Nahrung, dass Ihr wächst,
Und hoffnungsvoll sah man auf Eure Blüte.“
(Er winkt dem Totengräber; derselbe tritt vor, drei junge Lindenbäume im Arm.)
„Entwurzelt seid Ihr nun wie diese Linden;
Denn Liebe, Achtung, jegliches Vertrauen,
Das Euch so sichren Boden hier bereitet,
Hat sich in Argwohn und in Hass verkehrt.
Verkehrt sei drum die heilige Natur: Ihr sollt Drei Linden pflanzen, doch verkehrt, die Krone Zur Erde und die Wurzel frei zur Luft.“
Es entstellen nun dieselben Bedenken gegen dieses experimentum in corpore vili, die heut von den meisten Botanikern, besonders den Biologen und Physiologen eingewendet werden.
Schöffenältester.
„Vergeben wollet, gnäd’ger Herr! Ihr meint,
Der Baum des Schuld’gen wird verdorren, und Was Unschuld pflanzte, grünt durch göttlich Wunder?
Ich fürchte, keiner von den Bäumen grünt;
Denn wie vermöchte so Natur zu wandeln Unwandelbar Gesetz, das voll Geheimnis Der Wurzel Kraft giebt, tief in dunkler Erde Die Lebensfasern auszubreiten, und Die Krone wundervoll am Licht der Sonne