Heft 
(1896) 5
Seite
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Vorgeschichtliche Töpferei und Ornamentik.

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io. Vorgeschichtliche Töpferei und Ornamentik.

Von E. Lemke.

Geehrte Anwesende, fürchten Sie nicht, dass ich Sie bis zur Er­schöpfung in dem Gebirge umherführen will, welches durch die Erzeug­nisse der Töpferei gebildet werden könnte, gleichviel ob jene Erzeugnisse in heilem Zustande anzutreffen wären oder nur in Scherben vor uns lägen! Ich habe auch nicht die Absicht, mit Ihnen gemeinsam in die Geheimnisse eines Töpfermeisters zu dringen. Wir wollen uns zunächst nur aus der Vogelperspektive die Sache ansehen, d. h. einen Blick in die älteste Geschichte dieser Kunst thuu und dann besonders in der Mark Brandenburg einige vorgeschichtliche Gefässformen und Ornamente zu näherer Betrachtung heranziehen.

Da die Töpferei für die Erfordernisse ursprünglichster Art arbeitet, kann man ohne weiteres annehmen, dass ihr Alter ein ungemein hohes ist. Wie weit indessen diese Kunst zurückreicht, darüber lassen sich nur sehr mangelhafte Nachweise geben. Wissen wir doch kaum zu be­stimmen, wie viele Jahrtausende die ersten geschichtlichen Überlieferungen der alten Kulturvölker hinter uns zurückliegen; um wie viel schwieriger müssen die Versuche sein, den bei weitem früheren Zeitpunkt nachzu­weisen, da die ersten Staffeln einer Technik, wie sie die Töpferei ist, er­stiegen waren.Tief unter dem langsam sich absetzenden Schlamm des Nils sind glasierte Thonscherben hervorgegraben worden, die (wenn die Rechnung aus der Dicke der Schlammschicht und des alljährlich sich absetzenden Niederschlages richtig ist) vor mehr als 13 000 Jahren ge­brannt sein müssen. Auf ägyptischen Basreliefs finden wir wiederholt die Abbildungen der verschiedensten Vorgänge, welche bei der Bear­beitung des Thons eine Rolle spielen. Wir sehen den rohen Thon mit Füssen kneten; Erzeugnisse aller Art werden, teils aus freier Hand, teils auf der Töpferscheibe, daraus gebildet; hier lernen wir das Brennen, dort die Gestalt der Öfen, ferner die rote Farbe der altägyptischen Thon- gefässe kennen. Dass die Israeliten ebenfalls in den frühesten Zeiten die Kunst der Töpferei verstanden haben, beweisen zahlreiche Beziehungen, welche die bilderreiche Sprache des alten Testaments benutzte. Wenn auch nicht mit den ersten Versuchen der Töpferei, denn auf diese kommt naturgemäss jedes Volk von selbst so sind doch höchst wahr­scheinlich mit den Vervollkommnungen die Griechen durch die Ägypter bekannt gemacht worden. Zu Homers Zeiten gab es auf der Insel Samos Töpfereien, welche eine grosse Berühmtheit besassen, so dass der blinde Sänger dieselben durch ein Gedicht verherrlichte, welches die Meinung bervorrufen könnte, als sei es durch den Besuch eines grossen Etablisse- ments der Neuzeit veranlasst worden, (\ielleicht ein Besuch nach Art