Heft 
(1896) 5
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Vorgeschichtliche Töpferei und Ornamentik.

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Die jüngste Bronzezeit resp. die Hallstatt-Periode hat ausser unend­lich vielen Besonderheiten, deren blosse Aufzählung uns eine lange Weile beschäftigen würde, in Westpreussen und einigen angrenzenden Gebieten eine höchst wichtige Hinterlassenschaft in den sogenannten Gesichtsurnen. Diese Gefässe ahmen das menschliche Antlitz oder den oberen Teil des­selben nach, dazu die Ohren, zuweilen Haupthaar und Bart und sogar in schwächerer Ausführung auch die Hände. Die Gefässe haben fast immer eine karatfenartige Form; der Deckel kann als Nachbildung einer Mütze gedeutet werden. Auf dem breiteren Teil der Urne, ge­wöhnlich unter einer V erzieruugslinie, befinden sich oft eingeritzte Zeichnungen: primitive Darstellungen von Wagen, Pferden und Menschen, von Bäumen und Schmucksachen. Manchmal sind diese Schmucksachen in Wirklichkeit auch in der Urne angetroffen worden. In den mehrfach durchlochten Ohren hängen Ringe; meist sind dieselben von Bronze, aber auch eiserne Ringe kommen nicht selten vor. Das Hauptfundgebiet dieser ungemein interessanten Gefässe ist Pommerellen.

Demnächst wird im kgl. f. Museum Völkerkunde hier dem Publikum jene Sammlung von Gesichtsurnen zugänglich gemacht werden, welche 40 an der Zahl in Schwartow, Pommerellen, gefunden wurden. (Vordem besass das Mus. f. Völkerk. nur 25 Stück solcher Urnen; das Mark. Mus. erfreut sich gleichfalls einer Anzahl; aber das Westpr. Prov.-Museum in Danzig besitzt gegen 200 Gesichtsurnen. Andere Exemplare fanden in den Museen zu Königsbreg, Breslau, Stettin u. s. w. ein gar gern ge­währtes Unterkommen.) Herrn Prem.-Lieutenant Hans von Schierstedt- Sclnvartow ist die vorhin erwähnte neue Sammlung zu verdanken; er entnahm dieselbe, mit Hülfe des Herrn Konservator Krause (Berlin), der Erde, wo sie wie gesagt seit der Hallstatt- oder (nach ver­einzelter, abweichender Meinung) seit der La löne-Zeit geweilt hatte. Die Urnen standen in Steinkisten-Gräbern auf verschiedenen Grabfeldern. Auch mehrere Kinderurnen kamen zum Vorschein.

Die Zeichnungen auf den Gefässen haben wiederholt eingehende Besprechung erfahren, wie u. a. die Verhandlungen der Berl. Anthrop. Gesellsch. beweisen. Für denjenigen, der sich weiterhin dafür interessiert, sei auf das Heft von H. Conwentz aufmerksam gemacht:Bildliche Darstellungen von Tieren, Menschen, Bäumen und Wagen an west- preussischen Gräberurnen. Daselbst werden die Jagdscenen an die Hauptbeschäftigungen der Landesbewohner angeknüpft, indem die Jagd - welche in der ältesten Zeit auf Elch, Hirsch u. s. w. stattfand - noch in der zu Ende gehenden Bronzeperiode im Vordergründe gestanden haben wird. Doch das Wanderleben von ehedem hatte gewisser Sess­haftigkeit, Platz gemacht und zu den Anfängen der Landwirtschaft ge­führt. Das Pferd spielt bereits eine Rolle als Zugtier. Und dass man mit einem Wagen umzugehen verstand, ist aus vielen Zeichnungen zu