Die Irrlichter und Irrwische.
469
von St. Niklas, die Buben trotz des Verbotes und der Aufsicht der Polizei den Niklas, eine Strohpuppe, verbrennen wollten, und zwar auf dem Schafberg, wie mir gesagt worden war. So ging ich nocli bei Tage auf den Schafberg, um mich in der Dunkelheit zurecht zu finden, wenn ich am Abend den Berg bestiege, denn es waren finstere Nächte. Ich will nebenbei bemerken, dass der Niklas nicht verbrannt wurde, „weil die Polizei zu wachsam war.“ So wird dem Landvolke das unschuldige Freudenfeuer nicht mehr vergönnt, während den Sommer hindurch bis in den Herbst für die Fremden grosse Feuerwerke in Baden selbst abgebrannt werden, ohne dass die Behörden dagegen einschreiten. Dichtungsvoller, einem tiefen Zuge der Volksseele entglommen, sind jene Feuer auf den Berghöhen, uralte Sitte seit grauer Vorzeit. So wird das Demütsleben des Landvolkes verkümmert und dann wundern sich viele, dass auch hier weite Kreise mehr und mehr einer öden und rohen Auffassung der Dinge verfallen.
Als ich am Nachmittag jenes Tages auf dem Schafberg war, sah ich einen alten aber noch sehr rüstigen Mann auf dem Hofe des katholischen Dorothea-Stiftes, das dort am Berge gelegen ist. Ich befragte ihn wegen des Feuers, aber er wusste nichts davon. Doch ersah ich alsbald aus der Unterhaltung, dass ich es mit einem volkstümlich höher veranlagten Manne zu thun hatte, der trotz seines Alters ein ausgezeichnetes Gedächtnis besitzt. Dieser Mann, vormals seines Zeichens Müller und Landwirt, heisst Joseph Niethammer und lebt jetzt als Pfründner im genannten Stift, das sich der lebhaften Fürsorge der Frau Grossherzogin erfreut, der edlen Tochter Kaiser Wilhelms des „Siegreichen“, deren stilles segensvolles Walten an der Seite des hohen Gemahls, dem hehren Fürsten im Glanze aller deutschen Tugenden, uns so oft mit tiefer Rührung ergriffen und mit höchster Verehrung erfüllt hat.
Unser Joseph Niethammer nun, wie er nach seinen Schilderungen manchen Gefahren im lieben Trotz geboten, — hat er doch auch einer Anzahl Menschen das Leben gerettet, — so ist er auch kühn Geistern und Gespenstern entgegen gegangen, und wie er aus eigener Erfahrung über vieles Bescheid weiss, so auch über Irrlichter und Irrwische. Was er mir darüber wiederholentlich erzählt hat, denn er ist auch gewandt mit der Feder, gebe ich wörtlich hier wieder, wie folgt.
„Im Oberamt Bühl,*) I /4 Stunde von Zell, V 2 Stunde ab von der Strasse nach Moos, mehr in der Nähe vom Dorf Balzhofen, da war vor etwa 60—70 Jahren eine Wies mit vielen Leimlöchern,**) genannt Sch lat.***) Tn den Leimlöchern hat sich Wasser drin gebildet, wenn
*7Äm Fusse des .Schwarzwalds, in der Gegend von Baden (-Baden) gelegen.
**) x)ie Leimlöcher waren ausgegraben worden, um Leim (Lehm) zu holen, zum Kauen oder um Vertiefungen damit auszufüllen.
***) „Soldat“ ist der Name eines Teiles der Ortsgemarkung Zell.