Die Irrlichter und Irrwische.
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Meine Grossmutter hatte grosse Gespensterfurcht und hatte als alte Frau die Gewohnheit, abends vor die Haustüre zu gehen. Sie forderte mich dann gewöhnlich auf, sie zu begleiten, damals, wie ich ein Bube war von sieben bis acht Jahren. So wie gewöhnlich sah man die Irrlichter in dem Schlat, denn unser Haus, die Mühle, lag da in einer Entfernung von einer viertel Stunde bis zwanzig Minuten. Als junger Bu machte ich mir den Spass, die Grossmutter zu erschrecken und habe gerufen: „Die Geister sollen kommen, die Grossmutter zünden“.*) Sobald ich aber diesen Ruf ausstiess, sprang die Grossmutter in die Stube zurück, worüber ich mich kindlich freute.
So geschah es also eines Abends, dass ich ebenfalls in Begleitung der Grossmutter hinausging unxl dieselbe durch mein mutwilliges Benehmen schon zweimal in die Wohnstube zurückkehrte. Als wir zum dritten Mal in die Stube zurückkehrten, hatte sich ein Mann die Hand verblault, die Hand zerschmettert mit der Hanfstampfe.**) Dadurch forderte mich mein Vater auf, so schnell wie möglich den Balbier aus Zell zu holen. Kaum kam ich vor die Tür hinaus, so kam ein Irrlicht aus dem Schlat. Dasselbe hatte anscheinlich unmittelbar der Strasse gegenüber seinen Standpunkt. Wenn ich vorwärts ging, ging es mit, in derselben Entfernung; ging ich zurück, also ebenfalls. Wenn ich stillgestanden bin, ist es auch stillgestanden. Da kam mir der kindliche Gedanke, dass ich gegen die Grossmutter Unrecht gethan, um sie so zu erschrecken, und fasste es in meinem kindlichen Gemüte als Strafe Gottes auf. Dabei überfiel mich eine solche Angst, dass ich nicht mehr Herr über meinen Willen war. Deshalb sprang ich bald zehn, bald zwanzig Schritt vorwärts, bald ebenso viel wieder zurück. Sobald ich aber vor die Thüre unsres Hauses kam, so war auch meine Todesangst vor den Augenblick vorüber und ich stellte mir vor, mit welchem Spott und Hohn ich wegen meiner kindlichen Angst empfangen würde vom Vater, wenn ich in die Stube käme. Deshalb sprang ich dann wieder dem Balbier zu und kam auch bis in dessen Haus, wo ich jedoch ohnmächtig zusammenbrach.
Nachdem der Balbier mich wieder zu mir gebracht mit Wasser und mit Reiben,***) so musste ich ihm erzählen, wie es gekbmmen, und er begleitete mich dann in die Mühle, den Verwundeten zu verbinden. Bevor er aber den Verwundeten verbunden, hat et dem Vatei erzählt, wie es gekommen, die Verzögerung, dass er mich erst hat zu mir bringen müssen was mir eine tüchtige Tracht Prügel eintrug vom Vater, dass
*) D. h. ihr leuchten. , , , _ ,
**) Die Hanfstampfe oder Hanfblaule, wie die Bauersleute sagen, „hat den Zweck,
den Hanf weicher au machen, um die holzigen Teile des Hanfes loszulösen.«
***) Er that ihm kalt Wasser auf Kopf und Brust und hat ihn mit „leinen Lumpen« gerieben, halbier sagt man auch in Norddeutschland volkstümlich statt Barbier, auch Fischart hat Balbier in seiner Gescliichtklitterung.