Heft 
(1896) 5
Seite
488
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IS. (7. öffentl.) Versammlung des V. Vereinsjahres.

das Quem pastores laudavere, von dem die einzelnen Strophen des deutschen Textes folgende Anfänge haben:Den die Hirten lobeten seine und die Engel noch viel mehre,Zu dem die Könige kamen geritten; Gold, Weihrauch, Myrrhen brachten sie mitten;Freut euch heute mit Maria in des Himmels Ilierarchia undLohet, alle Christen zu­gleiche, Gottes Sohn im Himmelreiche folgt eine kurze Predigt; dann beendigt das LiedLobt Gott, ihr Christen allzugleich den Gottesdienst, an den sich zu Hause gewöhnlich die Bescheerung anschliesst. Der Text der Gesänge ist, wenigstens in dieser Zusammenstellung und Reihen­folge, nicht gedruckt vorhanden, sondern jeder Knabe schreibt und malt sich selbst seinen Quempas. Nachdem die einzelnen Blätter so geheftet sind, dass das Format ein liegendes ist, wird der Text auf jedem Blatte sorgfältig in die Mitte geschrieben, so dass die erste Reihe aus schönen grossen Druckbuchstaben besteht; die Schrift wird dann von Blütengewinden oder arabeskenartigen Verzierungen umzogen. Unter dem Text befindet sich auf jeder Seite ein Bild, dessen Inhalt die früheren lebenden Bilder ersetzt: so wird die Geburt Jesu, anbetende (oder auch nur ihre Schafe weidende und dabei die Schalmei blasende) Hirten, der Einritt der heiligen drei Könige in Jerusalem und anderes ilargestellt. Wie die Initialen der Schrift und die Blütengewinde, so sind auch diese Bilder schön in Farben ausgeführt. Ueberall lässt sich der Zusammenhang mit der Art, wie die Mönche im Mittelalter ihre Texte schrieben und verzierten, deutlich erkennen. Aber wenn schon hier doch auch manche Abweichung von der alten Tradition stattlindet (so wenn die zahlreichen Türme Jerusalems das christliche Kreuz oder gar den türkischen Halbmond tragen oder wenn der Weihnachtsmann in der Gestalt eines Fraehtfuhrmannes einen riesigen Wagen mit Ge­schenken fährt), so haben andererseits geschickte Knaben auch die Neigung, ihr Können überhaupt in freierer Darstellung zu bethätigen; und man erblickt wohl unter einem altkirchlichen Weihnachtstexte einen grossen Elbdampfer und einen zu ihm hinfahrenden Kahn oder ähnliche profane Darstellungen. Der Quempas erfreut sich in Sandau noch heute grosser Beliebtheit, und jeder Einheimische ist stolz auf diese besondere Eigenheit seiuer Vaterstadt.

Der Vortragende Hess eins der altmärkischen Saudauer Quempas- Hefte kursiren, worauf Herr G eh eirnrat Liebenow bemerkte, wie nach seiner Vermutung auch innerhalb der eigentlichen Provinz Branden­burg das Quempas-Singen in evangelischen Kirchen noch vorkomme. Er entsinne sich dessen von seiner Jugend und von seinem Heimatsort Schönfliess, Kreis Königsberg, N.-M., noch sehr wohl.

Herr Kustos Buch holz fügte hinzu, wie er in seiner Kindheit in der evangelischen Kirche zu Schönlanke unweit der neumärkischen Grenze, selbst öfters das Quempas mitgesungeu.