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2. (1. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.
morphologisch sehr nahe ständen und trotzdem keine Veranlassung zu offiziellen Schutzmassregeln gäben. Man solle deshalb die Sache doch erst einmal eine Zeitlang abwarten. Man müsse auch besorgen, dass die Vereinigten Staaten Repressalien gegen Deutschland'nehmen würden, die wir im Ausfuhrverkehr übel empfinden möchten. Die Erfahrung bei Pflanzen-Schädlingen aus der niederen Tierwelt lehre, dass sie sich nach einer gewissen Verbreitungsperiode von selbst abschwächten und ihre Gefährlichkeit einbüssten. Sodann zeige die aus den Reblausgesetzen seit Jahrzehnten hervorgegangene Grenzabsperrung gegen lebende Pflanzen und Pflanzenteile, wie rigoros dieselbe nicht selten gehandhabt und wie der so wichtige Pflanzenaustausch unter Landwirten, Banm- ziichtern, Gärtnern, Pflanzenliebhabern und Botanikern dadurch beeinträchtigt werde. Die Nordamerikaner kämen, obwohl dort die meisten Herde der San Jose- oder Sankt Josefs-Schildlaus seien, doch im eigenen Binnenverkehr ohne schutzpolizeiliche Beschränkungen aus. Die San Jose-Schildlaus sei übrigens so klein, dass man sie mit blossem Auge nicht wahrnehme.
Herr Friedel entgegnet hierauf, dass man an der von Dr. Matzdorff in natürlicher Grösse abgebildeten kalifornischen Birne deutlich die infizierten, eigenartig umschriebenen Stellen, wo der Aspidiotus sich eingenistet, wahrnehme; sogar ein Laie könne das mit blossen Augen, ohne Vergrösserung, sofort sehen. Die einzelnen Teile der Vereinigten Staaten sind wegen der San Jose - Schildlaus gerade mit sehr strengen Absperrungsmassregeln seither untereinander vorgegangen, so z. B. die Staaten New-York, Massachusetts und New-Jersey. Gegen dergleichen parasitische tierische Infektion müsste gerade im Anfänge unnachsichtig eingeschritten werden, das Gegenteil, nämlich die Nachsicht, die man mit der Reblaus in Europa geübt, habe sich in einer ungeahnt fürchterlichen, den Wohlstand ganzer Bevölkerungsmassen geradezu vernichtenden Weise gerächt. Die Traubenkultur sei infolge dieser Nachlässigkeit u. a. in den blühendsten Rebengefilden Frankreichs vielleicht für immer, jedenfalls auf viele Jahrzehnte vernichtet. Hiergegen müssten die Wünsche der botanischen Liebhaber und der Gärtner unbedingt zurücktreten. Die Besorgnis vor der San Jose - Reblaus zeitige nebenher wissenschaftliche Unternehmungen, die der Pflanzenpflege wie der Botanik im höchsten Masse zu Gute kommen. So habe das Reichsgesundheitsamt, hauptsächlich infolge des Auftretens des Aspidiotus in Deutschland, 60 000 Mk. zur Errichtung einer biologischen Abteilung für Land- und Forstwirtschaft im Nachtrag zum Reichshaushalt gefordert. Es füllt dies eine Lücke aus, die sich gerade auf dem Gebiete der angewandten Biologie mehr als einmal peinlich genug bemerkbar gemacht hatte. Die neu zu begründende biologische Abteilung für Land- und Forstwirtschaft soll dazu bestimmt sein, die auf Grund der biologischen Forschungen ein-