Heft 
(1898) 7
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2. (1. ordentl.) Versammlung des VH. Vereinsjahres.

Rebensaft die Rede gewesen (Vergl. III, 229 flg.; IV, 182 flg.) Allgemein ist die Vorstellung verbreitet, dass der Rebenbau im Rückgänge sei und dass, abgesehen von der Niederlausitz, fast nirgends mehr Rebensaft und Trinkwein in unserer Provinz erzeugt werde. Es dürfte daher manchen unserer Leser überraschen, dass noch innerhalb der rebenreichen Stadt Potsdam alljährlich Wein zum Haustrunk gekeltert wird. Bei einer Exkursion des Märkischen Museums nach Potsdam hatte die verwittwete Frau Orgelbauer Gesell, Schwester unseres Mitgliedes, des Herrn Rektor Otto Monke, die Liebenswürdigkeit, den Teilnehmern von ihrem im Jahre 1897 selbst gekelterten Wein, von dem Rebenspalier ihres Hauses in Potsdam, Junkerstrasse 36 am Bassinplatz, verschiedene Flaschen vorzusetzen. Der Wein, reiner Rebensaft, nur ein wenig mit Zucker versetzt, weil die grossbeerigen Malvasiertrauben wegen der Kühle des Sommers 1897 nicht völlig ausgereift waren, hatte die leicht rötliche Farbe des Champagners und mundete uns so gut, dass wir mehrere Glas mit Vergnügen tranken. Zum mehrjährigen Lagern kommt dieser Wein nicht, weil er in einem Jahr ausgetrunken wird. Frau G. zerquetscht die Beeren zunächst in einer Satte mit einer Holzkeule, dann wird eine Handpresse angewendet und der Rebensaft so oft durchgegossen, bis er klar ist. Der Rückstand wird als Wein­suppe (Mostsuppe) verkocht; das Übrige bildet den wohlbekömmlichen Wein. In dieser Weise wird Rebensaft und Wein noch jetzt an vielen Stellen in und bei Potsdam gewonnen.

9. Herr Kustos R. Buchholz legt 9 Blätter photographischer Auf­nahmen des ganzen Komplexes der

Charite,

sowie einige Kupferstiche vor, die ein Bild der Anlage dieses grossen Krankenhauses aus aer ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geben. Er giebt dazu folgende kurze geschichtliche Erläuterungen: Im Jahre 1710 wurde das Stammgebäude dieses grossen Staats - Krankenhauses in der damals entlegenen wüsten Gegend vor der Jungfernhaide errichtet, um diejenigen Armen aufzunehmen, die an der von Osten her sich allmählich der Mark nähernden Pestseuche erkranken würden. Glücklicherweise ging die Pestgetahr damals an Berlin vorüber und das errichtete Gebäude fand nun Verwendung als Arbeitshaus, zum Teil auch als Lazarett für die Garnison.

Diese zweifache, wenig zu einander passende Verwendung konnte nicht von langer Dauer sein. Man verwandelte im Jahre 1725 den für das Arbeitshaus bestimmten Teil in ein Hospital für das Städtische Armenwesen und brachte die Arbeitshäusler in das vom Schlächter­gewerk erbaute Haus Belle Alliance-Platz 11, das wegen des Ochsenkopf- Schildes derO chs enkopf genannt wurde, eine Bezeichnung, die der Volksmund bei der späteren Verlegung des Arbeitshauses nach dem