Heft 
(1898) 7
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3. (2. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.

entführen und unterrichten. Bald wurde es bekannt, dass der junge Mann zum Nachfolger des Leiters ausersehen war. Stolze hatte seit 18 Jahren gewaltige Anstrengungen gemacht zur Hebung des Instituts in dem damals entbrennenden Konkurrenz-Kampf mit andern Versicherungs­gesellschaften. Er fühlte sich durch die Zurücksetzung tief gekränkt und nahm seine Entlassung. Jetzt machten sich die Folgen der Über­anstrengung geltend, Stolzes Gesundheit hatte erheblich gelitten.

Inzwischen war er in seinen fortgesetzten Studien der Stenographie und der deutschen Sprache zu neuen Ergebnissen gelangt, die ihm die Erreichung seines Zieles in nahe Aussicht stellten. Achtzehn Jahre hatte er sich bemüht einen Weg zu linden, der ausdauernd verfolgt ihn 1838 zu dem erwünschten Ziele führte. 1841 veröffentlichte er sein erstes Lehrbuch der deutschen Stenographie. Bei dem damals geringen Verständnis für Kurzschrift und dem Mangel hinreichender Reklame fand das Lehrbuch wenig Beachtung, die neue Kunst erwies sich als brotlos und so musste Stolze wieder Hauslehrer spielen, um seine Familie zu ernähren. Die Herstellung des ersten Lehrbuches machte grosse Schwierigkeiten, weil in Berlin kein Lithograph zu linden war, der die Zeichen schreiben konnte. Dieses erste Lehrbuch erschien mit Staatsunterstützung. Die Uuterrichtserteilung hatte in den ersten Jahren keinen einträglichen Erfolg, daher geriet Stolze 18421843 in harte Bedrängnis. Erst 1844 tritt eine glückliche Wendung ein. Zwei seiner Schüler, Kressler und Jaquet, suchten den schon Verschollenen wieder auf und ermutigten ihn durch Rat und That, seine Sache energischer zu vertreten. Durch einen Vortrag in der polytechnischen Gesellschaft durch Lehrkurse in städtischen Schulen und in der Kriegsschule machte sich Stolze schnell bekannt.

Auf dem Rheinischen Provinzial-Landtag fand seine Kurzschrift durch Jaquet und Strahlendorff zum ersten Mal praktische Verwendung; 1847 trat Stolze selber in die Reihe der Praktiker ein, als das Bedürfnis nach Stenographen durch das Erwachen konstitutionellen Lebens wuchs. Aber hier hatte er wieder schwere Kämpfe gegen die Gabelsbergerscheu Stenographen durchzumachen, die sich aus Süddeutschland und Sachsen nach Berlin bei dem Ministerium anfänglich erfolgreich bewarben. Stolze musste auch hier für alle seine Mühen schwer kränkende Verletzungen über sich ergehen lassen, die zum Teil in der gänzlichen Unbekanntschaft der Behörden mit dem neuen Gegenstände ihren Grund hatten. Dr. Franz Stolze, der Sohn des Stenographie-Erfinders, hat in Mertens Stenographen- Kalender für 1898 die Vorgänge ausführlich geschildert, die aus Ent­täuschungen, Kränkungen, Anfeindungen aller Art und obendrein aus mannigfachem Unglück in der Familie sich entwickelten. Erst 1850 erhielt Stolze das Amt als Vorsteher des Stenographischen Bureaus des Abgeordnetenhauses, 1852 wurde er gegen festes Gehalt mit dreimonat-