Heft 
(1898) 7
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3. (2. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.

Kreise unterstützt vom Landratamt, ja seihst von der Regierung der Anlage neuer berlinischer Gottesäcker im Teltower Kreise nahe Berlin entgegenarbeiten. Etwas weniger schlimm liegt die Sache in dem zweiten, die Reichshauptstadt umfassenden, ländlichen Kreise, in Nieder- Barnim. Selbst hier aber wächst die Schwierigkeit der Anlegung neuer Kirchhöfe mit jedem Jahr.

Auch die reichshauptstädtische Gemeindeverwaltung kann deshalb nicht ohne begründete Besorgnis auf den Zeitpunkt hinblicken, an welchem sie genötigt sein würde, einen neuen grossen Gemeindefriedhot anzulegen.

Diese faktischen und praktischen Verhältnisse drängen in jeder Grossstadt, besonders auch in Berlin dazu, die Leichenverbrennung soviel als möglich einzuführen. Denn erfolgt dieselbe auch nur fakultativ, so ist die Friedhofsnot sofort beseitigt.

Aber in Preussen ist, im Gegensatz zu Württemberg, Baden, Sachsen - Coburg - Gotha, Hamburg etc. die Feuerbestattung noch nicht gestattet. Unter solchen Umständen blieb der Städtischen Verwaltung Berlins nichts Anderes übrig, als mindestens die Einäscherung der sezierten Leichen, deren Bestattung der Gemeinde kostenpflichtig obliegt, zu fordern.

Unser verehrtes Ehrenmitglied, der Ober - Präsident der Provinz Brandenburg und von Berlin, Herr Dr. von Achenbach, hat dann auch in einsichtsvollster Weise gestattet, dass Einzelteile von lebenden oder verstorbenen Menschen (amputierte Stücke u. dgl.) sowie Nichtindividual- Leichen eingeäschert werden dürfen. Ein Körper hat dann seine Indi­vidualität d. h. die Möglichkeit seiner genaueren Identificierung verloren, wenn ihm wesentliche Teile, vor Allem der Kopf, fehlen. Hiernach wird man sich in der Praxis den Begriff der Nichtindividualität klar machen und konstruieren müssen. Äusserlich wird eine Verwechslung dadurch völlig ausgeschlossen, dass die Individual-Leichen wie bisher in Särgen, dagegen alle übrigen zur Einäscherung bestimmten menschlichen Reste in besonders gefertigten flachen Kisten liegen, deren Inhalt bis höchstens zwei Zentner wiegt und gewöhnlich von verschiedenen Individuen ent­nommen ist.

Der Verbrennungsofen erscheint baulich als eine Verlängerung der bereits erwähnten Leichensammelstelle an der Diestelmeyer-Strasse. Die Maschinerie ist von einem unserer bewährtesten deutschen Techniker, Civil-Ingenieur Richard Schneider in Dresden eingerichtet, das Haus dazu von dem Stadtbauinspektor Wollenhanpt erbaut. Die äussere Gestaltung, welche nach Vorschrift der Aufsichtsbehörde ganz schlicht gehalten werden musste, wird ersichtlich aus einer Ihnen vorliegenden Abbildung in derFlamme, dem Organ des hiesigen Vereins für Feuer­bestattung, dessen Vorsitzenden Herrn Stadtverordneten Matterne wir