Heft 
(1898) 7
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3. (2. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.

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und gab i hm grössere Aufträge, unter anderen auch die Anfertigung eines goldenen Service. Bei einem seiner Besuche bemerkte er zufällig, dass aus einem schräg gegenüberliegenden Hause 2 Weiber nach Lieber­kühn hinaussahen und unter höhnischen Fratzen die Zunge ausstreckten. Lieberkühn beklagte sich nun darüber, dass das häufig geschehe. Das seien Frau und Tochter des reichen Goldschmieds Weyler, der ihn, den armen Anfänger, um den Fortgang seines Geschäfts beneide. Der König ordnete darauf an, dass eine solche Fratze mit Schlangenhaar an dem Hause angebracht würde, damit die beiden Weiber immer ihr Ebenbild zu sehen bekämen.

Nach der Bertramschen, im Gubitzschen Volkskalender erschienenen Version hat zwar auch Friedrich Wilhelm I. die Anbringung der Fratze veranlasst, aber die Vorgeschichte fällt in die Zeit seines Vaters zurück. Bei der Feierlichkeit der Grundsteinlegung zur Parochialkirche, am 15. August 1695, habe sich ein junger Mann dem Kurfürsten genähert und knieend ein Papier überreicht. Auf Befragen berichtete der junge Mann, er sei der Goldschmieds-Geselle Beyrich und habe infolge eines Traums in seinen Feierstunden eine kleine silberne Königskrone an­gefertigt, die mit in den Grundstein gelegt werden solle. Der Kurfürst, dem der Zwischenfall bedeutsam vorkam, nahm die Krone und legte sie zu dem übrigen Grundstein - Inhalt in das bereit gehaltene kupferne Kästchen mit den Worten:Eis sei Gottes Wille und ein Geheimnis vor der Welt. Der Goldschmiede-Geselle erfreute sich dann des besonderen Schutzes des Königs; namentlich bestimmte dieser den gegen den Gesellen aufgebrachten Meister, dass er ihm seine Tochter zur Frau gebe. Als Friedrich Wilhelm I. zur Regierung gekommen war und bei seinen Wanderungen durch die Strassen Berlins auf Beyrichs Werkstätte auf­merksam wurde, erinnerte er sich des Vorgangs von 1695 und nahm Interesse an Beyrichs gewerblicher Thätigkeit. Von hier an stimmt die Bertramsche Version mit der Cosmarschen überein bis auf die Ver­schiedenheit der Kamen des Goldschmieds.

Man hat nun aus den Hausakten ermittelt, dass Lieberkühn von 17111746 Besitzer des Hauses war. Weiter ist festgestellt, dass das ursprüngliche, schlechte Haus 1719 abgebrochen und neu aufgebaut wurde. Dagegen ist festgestellt, dass unter den gegenüberliegenden Häusern keins im Besitz eines Goldschmieds war. Dass der König Be­stellungen bei Lieberkühn gemacht hatte, ist aus den Königlichen Haus­akten erwiesen. Wenn die Sage in ihren Einzelheiten sich auch nicht voll mit der Orts-Geschichte deckt, so liegt doch kein Grund vor, ihr eine thatsächliche Unterlage abzusprechen.

Von dem sogenanntenZieten-Haus, Kochstrasse 62, das dem Abbruch verfallen ist, lege ich hier 2 Photographien vor.

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