Heft 
(1898) 7
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Wanderfahrt nach dem städtischen Ritter- und Riesel-Gut Buch.

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Sie wollte nicht in dem allgemeinen Grabgewölbe beigesetzt sein, ihr graute vor der Gesellschaft der trockenen Mumien, abseits und un­beachtet wollte sie schlummern, vergessen von der undankbaren Welt. Hat die Mitwelt sie auch schnöde behandelt, die Nachwelt hat sie nicht vergessen und ihr ein bleibendes Andenken bewahrt, und wer nach dem stillen Parke von Buch pilgert, den verlangt es, von der unglücklichen Julie von Voss zu hören.

Julie von Voss war die Tochter des Geh. Justizrates und ehe­maligen Gesandten am dänischen Hofe, Friedrich Christoph Hiero­nymus von Voss, und seiner Gemahlin Amalie Ottilie von Viereck; sie wurde nach Angabe des Kirchenbuchs am 4. Juli 1766 zu Buch ge­boren und am 24. Juli von dem Hofprediger Sack auf die Namen Elisabeth Amalie getauft. Weshalb man sie später Julie genannt hat, unter welchem Namen sie auch in den Aufzeichnungen ihrer Tante, der Oberhofmeisterin von Voss, auftritt, ist unerklärlich; der Name hat sich jedoch so eingebürgert, dass man ihn weiter beibehalten muss. Über Juliens Jugend und Erziehung ist nichts bekannt. Durch ihre Tante wurde sie schon früh mit der Gemahlin Friedrichs des Grossen, der Königin Elisabeth Christine, bekannt und auf deren Wunsch bereits im siebzehnten Jahre 1783 an den Hof in Schloss Schönhausen gebracht. Hier erregte Julie von Voss durch ihre schöne Gestalt, ihre marmor­ähnlich glänzende weisse Haut und durch die üppige Fülle ihres rot­blonden Haars die allgemeine Aufmerksamkeit, man gab ihr den Namen Ceres und konnte nicht genug ihre Tugend und Sittsamkeit preisen. Kein Wunder war es daher, dass der für weibliche Schönheit leicht empfängliche Prinz von Preussen, der spätere König Friedrich Wilhelm II., bei seinen Besuchen in Nieder-Schönhausen bald in heisser Leidenschaft für die junge Hofdame erglühte und sie bei jeder Gelegenheit aus­zeichnete. Er kam oft nach Schloss Schönhausen, verfolgte das Fräulein auf Schritt und Tritt und bestürmte sie mit seinen Liebesbeteuerungen. Julie von Voss setzte den Bemühungen des Prinzen anfangs eisige Kälte entgegen, sie kannte seine bewegte Vergangenheit und war zu stolz die Maitresse des Fürsten zu werden.

Prinz Friedrich Wilhelm war zu jener Zeit bereits seine zweite Ehe eingegangen. Zuerst seit 1765 mit Elisabeth von Braunschweig- Lüneburg vermählt, hatte er sich 1769 von ihr scheiden lassen, da sie dieselben Freiheiten für sich in Anspruch nahm, die sie ihren Gemahl geniessen sah. Noch in demselben Jahre vermählte sich der Prinz in zweiter Ehe mit Friederike Luise von Hessen-Darmstadt, aber auch diese Ehe blieb eine unglückliche, da Friedrich Wilhelm nach wie vor seinen Passionen nachging und namentlich aus seiner Liebschaft mit der Frau seines Kammerdieners Rietz absolut kein Hehl machte. Dass ein junges tugendhaftes Mädchen wie Julie von Voss unter solchen Umständen von