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8. (6. ausserordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjabres.
eigenen Vermögens über Wasser hielt, bis der Staat dem jungen Institute 1812 in dem Mililärlazaret auf dem Georgenkirchhof ein neues Obdach bot. Aber erst, nachdem der Domherr von Rothenburg, der in der Anstalt Bewahrung vor der Cholera gesucht und gefunden, 1833 aus Dankbarkeit ein Kapital von 264 000 Mark gestiftet, wurde ein eigenes Grundstück, das Haus Wilhelmstr. Nr. 139, erworben, wo die Anstalt schneller wuchs, so dass 1856 bereits 48 Zöglinge aufgenommen werden konnten. — Als auch hier der Raum nicht mehr ausreichte, beschloss man die Verlegung nach Steglitz, die 1877 erfolgte und einen Markstein in der Entwickelung der Anstalt bedeutet. liier erheben sich am Russe des Fichtenberges in der nach ihrem Ilanptwohltlmter benannten Rothenburgstrasse die stattlichen, zweckmässig eingerichteten Anstaltsgebäude, umschlossen von einem 9 Morgen grossen Park mit Spiel- und Turnplätzen zur Kräftigung und Erheiterung der Zöglinge. Hier hat die Anstalt ihrer Aufgabe, den Blinden eine angemessene Schul- und Berufsbildung zu vermitteln, in steigendem Maasse gerecht werden können. Denn gegenwärtig empfangen dort 140 Blinde die ihren Gebrechen entsprechende Ausbildung, deren Geheimnis darin besteht, dass die Hand, das höchste Kleinod der Lichtberaubten, für das Auge eintreten^lernt Von den 140 Zöglingen wohnen 110 im Internat, 30, besonders die Späterblindeten, im Externat, d. h. meistens in den benachbarten Vereinsheimstätten. Kinder von 5—9 Jahren gehören der zweiklassigen Vorschule an, ältere der sechsklassigen Hauptanstalt, die ausserdem 4 Werkstätten aufweist (für Stuhl- und Mattenflechten, Korbmacherei, Seilei-ei und Bürstenbinderei), wo die konfirmierten Zöglinge in einer 4—5jährigen Lehrzeit erwerbsfähig gemacht werden. Während man nämlich früher die Mehrzahl der Blinden zum Zwecke des Erwerbes in der Musik auszubilden suchte und dadurch unabsichtlich das Bettelmusikantentum beförderte, wird jetzt die Musik hauptsächlich im Interesse der Gemütsbildung und als edles Unterhaltungsmittel gepflegt und nur bei einzelnen hervorragend begabten Zöglingen die Vorbereitung für das Organistenamt erstrebt, da es keinem Zweifel unterliegt, dass der erfolgreiche Betrieb eines Handwerks der sicherste Weg ist, die Blinden, von denen 98 % unbemittelten Familien entstammen, vor dem Bettelelend und den Armenhäusern zu bewahren und zur Aussöhnung mit ihrem harten Geschick zu führen. — Darum ist es von der allergrössten und segensreichsten Bedeutung, dass mit der Kgl. Blindenanstalt der vor 10 Jahren gegründete „Verein zur Beförderung der wirtschaftlichen Selbständigkeit der Blinden“ organisch verbunden ist, der den Vertrieb der von den Zöglingen hergestellten Waaren übernimmt, der ferner sich aller' erwerbsfähigen Blinden der Provinz Brandenburg annimmt, indem er ihnen teils draussen, wo sie ihr Handwerk treiben, teils in den bei der Kgl. Blindenanstalt errichteten Heimstätten, wo der Verein sie vorübergehend oder dauernd als freie