280
10. (8. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.
10. Herr Blich holz legt aus der in den Besitz des Märkischen Provinzial-Musenms übergegangenen Sammlung des verstorbenen Stadtverordneten Wunder zwei weniger bekannte interessante Kupferstiche vor.
a) Der eine giebt uns ein Bild der Lappstrasse (jetzigen
Petristrasse) zu Berlin vom Jahre 1795 und zugleich einer Revolte der Schneidergesellenschaft, von der die Lokalgeschichte sonst wohl kaum Notiz genommen hat, die aber nach diesem Bilde erhebliche Dimensionen gehabt haben muss: „Abschenlige That einer grossen Menge Hand-
wercksbursche, durch Abbrechung eines Hauses in der Lap Strasse zu Berlin und Vernichtung aller darinen befindlicherSachen den 2b. May 1795.“ Man sieht die Handwerksburschen an der Zerstörung des Hauses und der Ausräumung des Mobiliars fortarbeiten, während die auf der Strasse angesammelte Menge durch heranmarschierendes Militär zu Fuss und zu Ross gewaltsam auseinander getrieben wird. Wie die Berliner Zeitungen jener Zeit überhaupt keine Nachrichten über Berliner Vorgänge zu bringen wagten, während sie Berichte aus andern Städten sehr ausführlich enthielten, so sucht man auch vergeblich darin irgend eine Erwähnung dieser Revolte. Nur in einer am 4. Juni 1795 in der Vossischen Zeitung erlassenen gerichtlichen Bekanntmachung wird ihrer beiläufig gedacht: „Da bei der am 26. Mai in der Lappstrasse vorgefallenen öffentlichen Beschädigung des Hauses des Scheeren- schleifers Schäfer teils Geld, teils Effekten entwendet worden sind, so werden alle diejenigen, denen etwas hiervon zu Händen gekommen, oder welche hiervon Wissenschaft haben, aufgefordert, solches sofort, bei Vermeidung der in solchen Fällen geschärften nachdrücklichen Ahndung bei dem Unterzeichneten Gericht abzugeben und anzuzeigen, damit solches in Stand gesetzt werde, dem Schäfer wieder zu dem Seinigen zu verhelfen. Berlin, den 31. Mai 1795. Director und Richter der Stadtgerichte hies. Res. Bohm, Müller, v. Hoff.“ Von derselben Stelle aus, nämlich der Schneiderherberge, ging 35 Jahre später, im September 1830, die sogenannte „Schneider-Revolution“ aus. In jener, durch die inneren Verhältnisse und durch auswärtige politische Vorgänge erregten Zeit gab die ungerechtfertigte polizeiliche Verhaftung einiger Schneidergesellen den übrigen Gesellen Anlass zum Zusammen- lauf auf dem Köln. Fischmarkt, um die Losgabe der Kameraden zu er- zwingen. Am 17. September abends kam es zum Handgemenge mit den Wachtmannschaften und mit requiriertem Militär, wobei es viele Verwundungen setzte. Den Grund zu jener Verhaftung hatte ein Schneidergeselle gegeben, der als „Neuerungsprediger“ denunziert worden war und der deshalb unter dem Titel „arbeitsloser Herumtreiber“ ergriffen werden sollte; er befand sich aber gar nicht unter den Festgenommenen.
b) Der zweite Stich zeigt die eiserne Brücke über den Kupfergraben und zwar bald nach ihrer Erbauung im Jahre 1798, mit der