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10. (3. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.
Schriftsteller wie die des Frankfurter Predigers Andreas Musculus einzuschränken vermochten. Erst die Not des 30jährigen Krieges gebot der Unsitte Halt. Kurfürst Joachim II., der bekanntlich seihst nicht gerade sparsam war, sah sich wiederholt genötigt, um dem Unwesen zu steuern, Verordnungen gegen die Schmausereien bei Hochzeiten, Kindtaufen und Beerdigungen zu erlassen. Sie müssen wenig gefruchtet haben, wenn die Stadt Werben in einem eigenen Gesetz gegen die luxuriösen Ausschreitungen der Zeit Front zu machen versuchte. Einige Sätze aus dieser Verordnung seien hier mitgeteilt. Sie sind bezeichnend für das gelänge Mass von Freiheit, dessen sich der damalige Bürger einer deutschen Stadt erfreute.
„Die ganze Bewohnerschaft wurde in drei Stände geteilt. Zum ersten gehörten die Geistlichen, der Rat und diejenigen, die 300 bis 400 Gulden reich waren und die ihren Kindern so viel oder mehr mitgehen konnten. Zum zweiten Stand die Bierbrauer und die, die 200 Gulden Vermögen hatten. Zum dritten die, die 100 oder 50 Gulden reich waren. In Bezug auf die Verlöbnisse und Hochzeiten wurde geboten, dass die Trauung immer am Dienstag, nachmittags 2 Uhr sein sollte. Waren die Hochzeitsleute nicht pünktlich, konnten sie gewärtig sein, dass die Kirche vor ihnen zugeschlossen wurde, bei zwei Thaler Strafe, davon dem Rate einer, der andere der Kirche zur Bücherei zukommen sollte. — Die häusliche Feier bestand in den beiden ersten Ständen aus drei Mahlzeiten, am Abend des Dienstags, am'Mittag und Abend des Mittwochs, zu welchen die vom ersten Stande acht Tische laden und nicht über vier Gänge neben Butter und Käse, die vom zweiten Stande sechs Tische laden und nur drei Gänge neben Butter und Käse geben konnten. Die vom dritten Stande mussten sich mit einer Mahlzeit am Dienstag Abend mit drei Tischen und zwei Gängen neben Butter und Käse begnügen. In allen drei Ständen gab es Werbensches Bier; nur im ersten Stande war es gestattet, etwa anwesenden Fremden etwas an fremdem Bier und Wein zu reichen. Zur Befolgung dieser Ordnung wurden die Hochzeitsleute durch eine vom Rat dazu bestimmte Person angehalten; auch musste der Bräutigam am Freitag nach der Hochzeit auf dem Rathause bei seinen Eidespflichten berichten, dass er dieser Ordnung in allen Punkten gehorsam nachgelebt. Auch in Bezug auf die musikalischen Genüsse wurden beschränkende Vorschriften erlassen. Denen im ersten Stande waren alle Instrumente gestattet, denen im zweiten Stande drei Trompeten, eine Querpfeife und eine Trommel, oder anstatt dessen Geigen; denen im dritten Stande waren die Trompeten ganz verboten. Der erste Stand gab drei Thaler, der zweite drei Gulden und der dritte nur Va Gulden für die Musik.“
„Für die Feier der Kindtaufe bestimmte die Verordnung, dass niemand zu einem Kinde über drei Gevattern bitten dürfte. Im ersten