Heft 
(1898) 7
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10. (3. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.

keit des Stoffes bedenkt, auch mit vielem Geschick. Auch die Ereig­nisse, bei denen die Schutzmannschaft hervortrat, berührt er, so dass diese Geschichte wie von selbst zu einem Abriss der äusseren Lokal­geschichte Berlins wird. Manche längst vergessene Ruhestörungen und Krawalle von grösserem Umfange, von denen der Verf. zu erzählen weiss, liefern Beiträge zu einer Psychologie des Berliners. Sie zeigen, dass die Hauptstadt von einer im Grunde gutmütigen, dem Mitgefühl zugänglichen, doch aber unruhigen und reizbaren Bevölkerung bewohnt wird, die in den Schranken der Ordnung zu halten, keine leichte Auf­gabe ist.

Der Neidkopf.

Yon Robert M i e 1 k e.

Zu den Erklärungs-Versuchen über den Neidkopf ist neuerdings eine andere von dem Rechtsanwalt Dr. v. Freydorf in Mannheim hinzugetreten, die abweichend von den bisherigen Erklärungen es versucht, den Grund der volkstümlichen Anschauung aufzusuchen, auf dem sich die Sage und das Gebild haben entwickeln können. Wenn auch seine Deutung, dass das Bild als Zeichen eines dem Hause zu­stehenden Rechts aufzufassen sei, nicht gerade überzeugend ist, sie wenigstens nicht durch den Berliner Kopf unterstützt wird, so bietet doch die Zurückführung auf eine allgemeine volkstümliche Grundlage am ehesten die Möglichkeit einer zufriedenstellenden Erklärung. Ein Aufsuchen lokaler Beziehungen dürfte umsoweniger zu Ergebnissen führen, als der Neidkopf nicht allein ein Wahrzeichen Berlins ist, son­dern in der badenschen Stadt Villingen ebenfalls vorkommt. Ein ähn­liches Bildwerk haben wir aber auch in demsteinerner Weibskopf oderdie Bläke*) genannten Kopf in Mühlhausen i. Eisass vor uns. Vielleicht sind dann noch andere mancherorts an den Häusern einge­mauerte Frauenköpfe, die eine weniger scharf ausgedrückte Entstellung der Züge aufweisen und daher auch weniger von der Volkspoesie um­rankt sind, hierher zu rechnen. Da letztere wie in einem Hause in der St. Georgengasse in Speier, in gar keiner Beziehung zu der Archi­tektur stehen, so sind sie möglicherweise als abgeblasste Erinnerungen an den einstigen Neidkopf zu betrachten.

Durch das wiederholte Vorkommen in Deutschland ich bin überzeugt, dass sich noch vielmehr vorfinden werden weist sich der Neidkopf nicht als ein Denkmal irgend einer historischen Episode aus, sondern er muss als Merkmal einer ganz bestimmten Volksanschau­ung aufgefasst werden, einer Volksanschauung, die nicht mehr unvermittelt

*) Schäfer. Deutsche Städtewahrzeichen I. Leipzig 1858. S. 11.