Heft 
(1898) 7
Seite
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Robert Mielke: Der Neidkopf.

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mit unserem zeitgemässen Denken zusammenkängt. Aber welcher? Einen Wink geben uns die alten Schandsteine, die sogenanntenKlapper­steine, welche zänkische Weiber als Strafe durch die Strassen tragen mussten, und welche mancherorts die Gestalt eines Frauenkopfes mit herausgesteckter Zunge hatten. Sie sind also nicht nur ein Symbol des losmäuligen Neides, wie derselbe einmal genannt wird, sondern eine direkte Strafe desselben, was ja die anekdotenhafte Erzählung des Ber­liner Kopfes noch deutlich hindurckschimmern lässt. Es ist zunächst der Neid, der schädigende Hass, der in den Neidköpfeu in derber Weise blossgestellt ist, der aber unmittelbar auf eine ursprünglichere Empfindung zurückgeht: auf die Abwehr vor einer Schädigung. Der Neidkopf würde also den Merkmalen zuzuzählen sein, die wie die Hand in Nordafrika gegen den bösen Blick, das Pentagramm bei unseren Ställen gegen Viehschäden*) oder der Donuerbesen gegen Blitzschlag das Haus schützen sollen. Diese Eigenschaft der Neidköpfe wird scharf beleuchtet durch gewisse Hausinschriften**), die nicht nur jenen genau entsprechen, sondern auch die Anschauung blosslegen, aus der die Neidmerkmale erwachsen sind.

So heisst es an einem Hause in dem abgelegenen Winkel des alt­märkischen Dröinliug :

Ich bin vergnügt, ob mich hier neidet Die Welt und mancher Judas Freund,

Mich oft mit seiner Zunge schneidet,

Dass mir das Herz im Leibe weint.

Gott lebt, der solche Feinde biegt Und mich erhält. Ich bin vergnügt.***)

Besonders zahlreich sind solche Inschriften in West- und Ostfries­land, wo die derart gekennzeichneten Häuser geradezuHatershuuser d. h. Hass- oder Neidhäuserf) genannt werden, und wo die Architektur oft überreich mit allerlei Fratzen ausgeschmückt ist.

In Oldersum liest man an einem 1567 erbauten Hause:

Och nider laet din Nidet sin. Wat Godt mi gvnt dat is min.

As Godt behaget so is beter benidet as beklaget.

*) Bezeichnenderweise heisst in Österreich der blaue, wohlriechende Klee (trifolium melilotus coerulea) auch Neidklee, weil man damit die Viehställe räuchert, um das Vieh gegen Verwünschungen zu schützen (Grimm, Wörterbuch, Bd. VII, S. 563).

**) Wo keine Litteratur - Nachweise angegeben sind, hat der Verfasser die zitierten Inschriften an Ort und Stelle gesammelt.

***) Ebeling. Blicke in vergessene Winkel, Bd. 2, S. 85. f) Vergl. Globus, 72. Bd., 1897, S. 375.