Heft 
(1898) 7
Seite
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Robert Mielke: Der Neidkopf.

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Wie durch einen solchen Spruch das Haus und seine Bewohner sicli unter den Schutz Gottes begehen, ist wohl an keiner Stelle klarer ausgesprochen als in einer Inschrift aus der Prigmtz (Kietz bei Gross- Wootz a. E.), die zwar das schädigende Begehren nicht direkt bezeichnet, die aber wie eine feierliche Beschwörung anmutet: Sie ist aus der

Mitte dieses Jahrhunderts und lautet:

Schüße Dater biefe Scheune üor bcm 5euer, iDaffer, Sturm;

5iille fegnenb ihre lläume

Du, bcr nicht oergißt ben tDurm.

fange blühe mein (ßefchlecht,

febe fromm unb tuanble redit. (185 b)

Das ist eine Weihe des Hauses, die sich von der in den Neid- versen ausgesprochenen erheblich unterscheidet. Während sie nur Heil und Segen für die Bewohner ausspricht, liegt in den anderen und in dem Neidkopf der Begriff der Abwehr, der Gegenwirkung gegen Miss­gunst und Neid, die, wie wir sehen werden, als schädigende vielleicht in der Urzeit als dämonenhafte Kräfte gedacht sind. Begrifflich sind diese Kräfte als Neidempfindung ausgedrückt; sie ist die Un­heilsquelle, gegen die sich der Hauserbauer durch die Inschrift schützt, wie das die oben erwähnten, die zum Teil bis in das 15. Jahrhundert zurückgehen, erkennen lassen. Schon in dem Mythus von dem Medusen­haupte, das die älteste griechische Kunst als eine Fratze mit heraus­hängender Zunge schildert, liegt diese auf der ganzen Erde verbreitete Anschauung vor, für die wir auch altgermanische Zeugnisse haben. Deutet vielleicht schon eine Bemerkung Plutarchs, nach der die Cimbern Helme, die dem Rachen fürchterlicher Tiere glichen und die auch andere seltsame Gestalt hätten, auf die Neigung unserer Vorfahren hin, durch Schreckbilder auf Gegner einzuwirken, so wird uns für das 10. Jahrhundert ein ganz bezeichnender Vorfall überliefert. In der skandinavischen Egilsaga wird nämlich erzählt, dass Egil, der sich von dem König Ei'icli von Norwegen schlecht behandelt glaubt, eine Neidstange gegen Erichs Gebiet errichtet und seine Verwünschung gegen Erich, dessen Gemahlin Gunhild und die Landwättir (das sind die im Lande wohnenden Schutzgeister) ausspricht; infolge dieser Ver­wünschung musste auch König Erich das Land verlassen. Wir haben hier also nicht allein eine Wirkung auf Menschen, sondern auch auf die diesen zur Seite stehenden Geister, die von der Neidstange ausgeht. Es wird nicht gesagt, wie diese aussieht: dass sie aber mit einem Haupt vielleicht einem Pferdeschädel, wie es auch Simrock annimmt verziert war, scheint aus einem altisländischen Gesetz liervorzugehen. In demselben ist es verboten, dass einer ein Schiff mit einem Haupte in der See haben sollte; habe man eins, so solle man dies bei der

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