Heft 
(1898) 7
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11. (3. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.

Fahrtrichtung auf das Land herabnehmen.*) Erinnert man sich dabei, dass auch das Staatsschift' der venezianischen Dogen der Ducentaur der schon in seinem Namen etwas Sinnverwandtes birgt, am Bug einen dräuenden Kopf gehabt hat, und dass an den Vordersteven altnordischer Wikingerschiffe oft eine drachenkopfartige Verzierung angebracht war, wie man sie ja auch heute noch bisweilen an den Schiffen findet, so liegt die Annahme nahe, dass auch hier verwandte Beziehungen vorliegen.

Eine dunkle Erinnerung an die durch das Bild eines Kopfes be­wirkte Abwehr feindseliger Gewalten tritt noch an einem in dem 17. Jahrhundert erbauten Hause Groningens hervor, an dem ein bärtiger Männerkopf angebracht ist, unter dem die Worte zu lesen sind:Ick kiek noch int, d. h. ich sehe noch dahin, gewissermassen eine doppelte Be­teuerung der Wachsamkeit. Die Volksüberlieferung bringt in unbewusster Anlehnung an die Aufgabe des alten Symbols diesen Kopf mit einer ergebnislosen Belagerung der Belagerung der Stadt in Verbindung.

Zieht man also alle hier in Frage stehenden Momente in Betracht, so wird man die Annahme nicht abweisen können, dass die Neid­köpfe ursprünglich Schutzwehren gegen von aussen kommende Ge­fahren sind, Schutzwehren, wie sie ja der Volksglaube in man­cherlei Formen kennt. Die alte Bedeutung ist jetzt meist ver­gessen; nur die Sage umrankt diese Bildwerke mit ihren Blüten, ohne aber den Ursprung ganz verleugnen zu können. Denn noch immer klingt ja und besonders am Berliner Neidkopf die Vorstellung von einem feindseligen Wollen hindurch, die auch in dem der älteren Rechts­sprache entnommenen WorteNeidbau*) für eine die Aussicht ver­sperrende Mauer begrifflich umschlossen ist. Darum ist es eine innere Notwendigkeit, dass der Kopf ein möglichst schreckhaftes Aussehen haben muss, was im Zeitalter der Renaissance ganz sinngemäss von der schlangenhaarigen Gorgonenmaske erfüllt wmrde, die mit Vorliebe an Fenster- und Thürstürzen angebracht wurde, und die in den Tagen des Barocks und des Rokkoko zu rein ornamentalen Gebilden verflacht. Einen solchen Kopf sahen die Mitglieder der Brandenburgia erst vor einiger Zeit an dem Portal des Gutshofes in Klein-Machnow.

Die Vorstellung hatte sich so mit dem schreckhaften Aussehen

*) S. K. Weinhold. Altnordisches Leben. Berlin 1856. S. 298

*) Die Rechtssprache befindet sich in vollständiger Übereinstimmung mit dem Volksempfinden, wenn sie für einen die Aussicht versperrenden und aus böser Ge­sinnung errichteten Bau das WortNeidbau sich angeeignet hat. Das spärliche und lokalbegrenzte Vorkommen desselben (Münchener Recht. Augsburger Bau-Ordnung.) erschwert es aber, darin einen nur der Rechtssprache eigenen Ausdruck zu erkennen; vielmehr dürfte in dem WortNeid nur ein Nachhall des älteren BegriffsSchaden vorliegen. S. auch Grimm, Wörterbuch, unter Neid etc,