Heft 
(1898) 7
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Das Königl. Joachimsthalsche Gymnasium.

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liier die erste Erziehung erhalten! Vergessen Sie nicht, was der Staat und die Lehrer für Sie gethan, so werden Sie tüchtige, treue Unter- thanen werden; dann wird es in Preusscn immer wohl stehen, wie dessen Stifter es hei der Gründung und Erhaltung dieser Anstalt beabsichtigt haben. Das walte Gott!

Unter dreifachem, vom Direktor Schaper ausgebrachten Hoch, in das alle mit Begeisterung einstimmten, verliess der Kaiser die Aula, um sich die Räume der Anstalt anzusehen. Er besuchte zunächst das Alumnat, trat in einige Stuben ein, liess sich die Schränke öffnen, unterhielt sich mit den Schülern, besichtigte einen Schlafsaal, einen Waschsaal, be­suchte auch den gemeinschaftlichen Speisesaal (die Kommunität), die Küche und begab sich dann zur Schwimmanstalt. Bei seinem Eintritt stürzten sich etwa zwanzig Schüler in Schwimmkleidung von allen Seiten, mit schulgerechten Sprüngen, fusswärts und kopfwärts in das Wasser und führten Schwimmübungen aus, zu sichtlichem Ergötzen des Kaisers.

Dann kam der Kaiser in die Turnhalle. Hier standen 96 Primaner und Obersekundaner in zwei langen Reihen. Ich, der ich den Turn­unterricht der Schüler seit Jahren leitete, trat an den Kaiser heran und fragte, ob Majestät einige Turnübungen befehle.Gewiss! sagte der Kaiser. Er sah sich zunächst in dem mit Turngeräten sehr reich aus­gestatteten Saal um und fragte, ob die Kietter- und Steigegeräte nicht zu nah an einander ständen und die Schüler sich beim Turnen gegenseitig hinderten. Als Antwort liess ich zunächst die vordere Reihe der Schüler straften Schrittes nach der gegenüber liegenden Seite des Saales marschieren und von 58 Schülern zu gleicher Zeit an sämt­lichen Stangen, Tauen, Leitern u. s. w. turnen. Es ging ohne jegliche Beschwerde und gegenseitige Behinderung; der Kaiser nickte beifällig und sagte:Ja, Sie haben recht! Ich liess dann noch eine Anzahl anderer

Uebungen stets von einer grösseren Anzahl Schüler ausführen. Der Kaiser sah mit sichtlichem Interesse zu. Er wunderte sich, dass die Schüler keine Turnkleidung, besonders keine Turnschuhe trugen. Ich bemerkte, es sei keine Zeit für die Schüler gewesen, die Kleider zu wechseln, ich hätte deshalb auch die Übungen so gewählt, dass möglichst ein Missgeschick mit den Kleidern vermieden werde.

Die Übungen waren zu Ende. Der Kaiser stand aber immer noch fest. Ich trat zu ihm und bemerkte, das seien die Übungen, die ich mir ausgedacht hätte, bei weiteren könnte ich nicht für Vermeidung eines Kleidermissgeschickes einstehen. Der Kaiser lachte und verliess den Saal. Ich begleitete ihn beim Herausgehen. Von einer Turnriege sagte er:Die hats am besten gemacht, und sie bestand in der That aus den gewandtesten Turnern.

Auch in eine Lehrerwohnung trat der Kaiser ein und unterhielt sich kurze Zeit aufs freundlichste mit den Damen des Hauses.