Heft 
(1898) 7
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Das Königl. Joachimsthalsche Gymnasium.

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in der Folge auch andere zu dem Wagestück, bis es verboten wurde, da das Denkmal beschädigt würde.

Die Königin zog sich zurück; da hiess es:Wir müssen einen Zug bilden! auf nach Bismarcks Wohnung und dem Kriegsministerium! Jubelnder Beifall! Rasch ordnete sich die Masse; ein Professor des Gymnasiums und ich an der Spitze, hinter uns Lehrer und Schüler, letztere ihre Schulbücher unter dem Arm oder auf dem Rücken tragend, Bürger und Arbeiter, Meister und Gesellen, Erwachsene und Knaben bildeten Viererreihen und so gings die Linden entlang, singend, lärmend, jubelnd. Und aus den Häusern kamen die Bewohner und sangen und lärmten und jubelten mit. Und als sie hörten, wohin wir wollten, riefen sie:So ists recht! und viele schlossen sich dem Zug an oder sandten Lehrlinge und Gehilfen mit.

Es begegnete uns ein Knabe mit einer schwarz-weissen Fahne. Die fehlte uns, rasch hob ihn einer der jüngeren Lehrer auf die Schulter und ging dem Zug voraus. Lustig schwenkte der Junge die Fahne, und so zogen wir durch die Wilhelmstrasse am Palais Bismarcks vorüber in die Leipzigerstrasse nach dem Kriegsministerium; unendliche Hochs wurden aufUnseren Fritz, Bismarck, Roon, Moltke und die anderen tapferen Heerführer ausgebracht.

Aber damit begnügten wir uns nicht. Auch nach den verschiedenen deutschen Gesandtschaftshotels zogen wir. Dort erschallten Hochs auf die verbündeten deutschen Fürsten. Die ausgesteckten Fahnen mit den Landesfarben mussten wir haben und sie wurden uns bereitwillig aus­geliefert, einzelne wurden uns nachgesandt. Diese Fahnen wurden uns vorangetragen: bayerische, hessische, badische, württembergisclie, auch grössere preussische, die unterwegs gewonnen wurden; es war zuletzt ein wahrer Fahnenwald.

Nach langem Weg kehrten wir zu den Linden zurück. Aus den Fabriken hatten unterdessen auch die Fabrikarbeiter der Königin ihre Huldigung dargebracht. Erst am Rathaus löste sich unser Zug auf. So lange hatten alle, auch die Schüler,ungegessen und ungetrunken aus­gehalten !

Das war wohl der fröhlichste und tollste Tag, den Berlin er­lebt hat!

Ein anderes Begebnis. Es war am 18. Januar 1871; ich ging nach der Schule um eine Turnstunde zu geben; unterwegs wurde ein Extrablatt ausgerufen. Ich liess mir eins geben, warf einen Blick hinein, eilte zum Gymnasium, rief die bereits wartenden Quintaner in den Saal, kommandierte:Antreten! Stiligestanden! und sagte zu den Schülern:Ich habe Euch eine wunderbare Mitteilung zu machen! unser König ist in Versailles zum deutschen Kaiser ausgerufen worden! Nun aber wollen wir unseren Kaiser Wilhelm hochleben lassen. Nun ruft

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