Heft 
(1898) 7
Seite
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Carl Bolle, Der Oleander in Berlin.

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Mit diesem Wunsche werden alle diejenigen Mitglieder unserer Brandenburgs, welche sich nur ungern in vorgerückter Stunde von dem neuen gastlichen Kunsttempel trennten, für alle Zukunft des letzteren ohne Zweifel gern einversbinden sein.

Der Oleander in Berlin.

Von Carl Bolle.

Auch in diesem Jahre wieder, wenn auch wegen Nässe und Rauhigkeit des Sommers um wenigstens vier Wochen verspätet, hat Berlin sich an einem Blumengenuss ergötzt, den es, wie angenommen werden darf, vor anderen Städten voraus hat. Der Oleander ist es, dem unsere Mitbürger dies in gewohnter Weise verdanken. Dies südländische Bäumchen erfreut sich nämlich hier grosser Beliebtheit bei der Bevölkerung. Fassen wir dasselbe etwas näher ins Auge und sehen wir worauf sich sothane Bevorzugung gründet.

Wenn vornehmere Kreise gegenwärtig, wo es sich um Schmuckbäume handelt, fast ausschliesslich dem Lorbeer huldigen, der im Berliner Westen als Garten- und Strasscnzierde ausserordentliche Bedeutung gewonnen hat, obwohl er sich nur durch den Blätterglanz seiner kunstvoll gerundeten Krone und durch den Anklang an kriegerischen Ruhm empfiehlt, so ist dagegen der Oleander erklärter Günstling bescheidener, der Zahl nach weit über­wiegender Volksklassen geblieben. Sein Reich ist der Norden und Osten; sein Stand vor Budikerkellern und Schusterwerkstätten. Diesen Rang be­hauptet er seit länger als hundert Jahren und darf für unsere Stadt als Emblem populärer Blumenliebe, nicht minder als Resultat gleichgearteter Blumenzucht, gelten und genannt werden.

Wer kennt nicht seine rosige Blütenfülle; wer atmet nicht mit ner­vösem Behagen seinen süss betäubenden Geruch ein? So recht in Gunst steht er aber doch nur bei kleinen Leuten. Man sucht ihn vergebens auf Ausstellungen und die Gartenbauvereine haben ihm nie ein Wertzeichen erteilt. Im Handel wenig vertreten, gehen Ableger und Stecklinge von ihm von Hand zu Hand und zur Freude an dem Liebreiz der vegetativen Er­scheinung gesellt sich das Lustgefühl, die anmutige Zierpflanze nicht für Geld erworben, sondern eigenhändig erzogen zu haben. Dies hindert jedoch nicht, dass für besonders ausgezeichnet blühende Exemplare von Liebhabern nicht zuweilen hohe Preise geboten würden

Die Anzucht ermöglicht sich, leichter als durch Senker, vermöge der am Wurzelhals zahlreich erscheinenden Schösslinge, welche, rechtzeitig ab­geschnitten, in einem Glase mit Wasser ziemlich rasch Wurzel machen und so eine Vervielfältigung mühelos bewerkstelligen.

Der Oleander ist ein Sonnenkind, das mit dem Fuss im Wasser, mit dem Gipfel in Gluten tauchen will; Nässe von oben her scheut er. In Er­innerung an seine Heimat unter schönerem Himmel blieb er, um zur Blüte