Heft 
(1898) 7
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13. (4. ordentl.) Versammlung des VII. Vereinsjahres.

namentlich bei Kindern und Frauen grossen Schrecken erregten, anderer­seits aber Spottnamen wie Schnabel-Ärzte, Schnabel-Doktoren

u. dgl. erhielten. --

Herr E. Friedei macht auf das grosse kulturgeschichtliche und heimatkundliche Interesse aufmerksam, welches in einer fjuellengerechten Darstellung der Volkskrankheiten vornehmlich des Mittelalters und der darauf zunächst folgenden zwei Jahrhunderte liegt und ersucht ins­besondere die medizinischen Mitglieder der Brandenburgia hierüber, sei es mündlich, sei es schriftlich, gelegentlich berichten zu wollen.

Von unserem Ehrenmitglied, Herrn Professor Dr. Jentsch in Guben, geht zu dieser Sache nachträglich folgende Mitteilung ein:

Eine alte Gubener Pestverordnung. Die Pestgefahr in Wien hat vielfach Veranlassung gegeben, die Vorkehrungen zu beleuchten, die man gegen die Seuche in früheren Jahrhunderten getroffen hat, in denen sie Europa und Deutschland insbesondere häufiger heimsuchte. Im Berliner Verein für innere Medizin wurde unlängst die Pestordnung der Stadt Wien vom Jahre 1709 besprochen, die strenge Massregeln zur Isolierung der Kranken traf; äussere Abzeichen kennzeichneten nament­lich die Pestärzte. Höchst einfach war dagegen die Desinfektion, für die meist Schwefeldämpfe verwendet wurden. Auch die Niederlausitz besitzt eine noch um ein Menschenalter weiter, bis in das 17. Jahr­hundert zurückreichende Pest-Verordnung, die 1680 in Guben ge­druckt worden ist, und an Einfachheit der Desinfektions-Schutzmittel kaum übertroffen werden kann. Ein Exemplar, ein Foliodruck von 4 Blättern, ist in einer hiesigen Bibliothek vorhanden. Für den ersteren Zweck wird geboten, dassein jeder Hauswirth sein Haus und Schlaf­kammer so viel wie möglich rein halte, solche Abends und Morgends mit Wachholder-Reiss, in Ermangelung aber dessen mit Birken-, Eschen- und Linden-Rinde, Eichenlaub, Schafgarbe, Wermuth oder Beifuss räu­chern, besonders aber die von Verstorbenen eingebrachten Kleider, Federn, Betten, Pelzwerk, Flachs, Wolle und dergl., ob sie gleichwohl feil geboten würden, äusserst meide und keineswegs zu kaufen gelüste, noch was au Kleidern auf dein Wpge liegend oder ausgeworfene Sachen aufhebe.Früh und Abend sind frische Raule n auf Butterbrot, Schaf­garbe, Salbei, Cordebenedicten, Stabwurz und voraus das Tausendgülden­kraut klein zerschnitten zu gemessen, oder Enzian, B iber neil, Olssnitz (zu wendisch Wolschownig), Osterlucey, Aland messerspitzweise häufig zu nehmen. Vor dem sonst so beliebten Aderlass wird gewarnt. Zur Cur selbst wird, sobald Frost oder brennende Hitze, Herzensbangigkeit, äusserste Mattigkeit, unerträgliche Hauptschmerzen, Erbrechen eintreten, einGiftessig verordnet, zu dessen Herstellung alle oben genannten Kräuter, ausserdem Schellkraut u. a. verwendet werden, den sich die Armen selbst aus diesen durch Aufguss hersteilen sollten. Das Haupt-