Heft 
(1898) 7
Seite
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13. (4. ordentl.1 Versammlung des VII. Vereinsjahres.

1. März 1865 hielt (Berliner Denkmäler, Tafel 3), der das Wesent­lichste zur Sache enthält und über welchen die berlinische Lokalforschung bis heut nicht hinaus gekommen ist. Es wird Ihnen, wie mir bei der Lektüre ergehen, das Endergebnis bleibt ein Fragezeichen. Erst 1831 in Alexander CosmarsSagen und Miscellen aus Berlins Vorzeit wird dies hässliche Wahrzeichen am Hause Heilige Geist­strasse 38 erwähnt, allerdings ist es seither vielfach sogar zum Wahr­zeichen Berlins überhaupt gestempelt worden.

Der Goldschmied Lieberkühn, der das Haus No. 38 i. J. 17 Hl erkauft, an welches die angebliche Sage anknvipft, ist durchaus kein armer Mann gewesen und in den gegenüberliegenden Häusern No. 11, 12, 13 lässt sich schlechterdings keine neidische Goldschmied-Familie er­mitteln. Damit entfällt der Cosmarschen Sage schon der reale Boden.*)

Das Bildwerk selbst ist mit Sorgfalt aus Sandstein gemeisselt und, nach Spuren zu urteilen, vergoldet gewesen.

Die Bezeichnung Neid-Kopf ist ungenau, denn, wie ersichtlich, handelt es sich nicht um einen Kopf, sondern um eine vollständige weib­liche Büste, die man beinahe einen Rumpf (Torso) nennen könnte. Auch scheint der Ausdruck Neid-Kopf eine spezifisch berlinische Er­findung zu sein, die vielleicht erst in unserem Jahrhundert, als der Sagensammler Cosmar der Sache seine Aufmerksamkeit schenkte, ent­standen ist. In den Handbüchern deutscher und germanischer Mytho­logie (Grimm, Simrock, Mannhardt, E. Meyer, Wolf, Weinhold, W. Schwartz, Birlinger, Rochholz, F. Liebrecht u. s. f.) fehlt der Ausdruck Neidkopf gänzlich, ebenso, was gewiss beachtenswert ist, in Grimms Wörterbuch.

Dagegen kommen im nordgermanischen Gebiet sogenannte Neid- Stangen vor. Weinhold (Altnordisches Leben, 21)8) berichtet darüber:Auf Island richtete man eine Neidstange auf, als Zeichen des höchsten zauberkräftigen Hasses: auf einer Stange, deren Spitze in einen geschnitzten Menschenkopf auslief, und die mit den gehörigen Neidrunen beritzt war, ward ein Pferdekopf gesteckt, dessen gähnender Rachen nach der Gegend des Verwünschten sich kehrte. Man sprach dabei:Hier setze ich eine Neidstange und wende diesen Neid gegen den und deD.

Dass der Berliner Neidkopf mit dem Medusenhaupt Ähnlichkeit hat, auch wenn er mehl, wie schon erwähnt, eine die Brust einer alten welken Frau darstellende Büste ist, kann nicht bestritten werden, schon die Nattern, welche das Haar teilweise ersetzen, sprechen dafür. Von dieser Symbolistik abgesehen, ist die Bildhauerarbeit eine streng natu­ralistische, dem Stil nach etwa entsprechend dem Anfang des 18. Jahr­hunderts. So lag mir z. B. vor ein paar Tagen ein schöner Stich vor,

*) Vgl. die Sage auch bei Adalb. Kuhn, Märk. Sagen. 1843. S. 122.